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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten
Autoren: Antje Babendererde
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funktioniert, du musst es nur wollen.«
    Jimi machte eine kurze Pause, als müsse er erst darüber nachdenken, was er noch sagen wollte.
    »Ach ja, du wirst in den nächsten Tagen Post bekommen. Denk nichts Falsches, die Kohle dafür war sauber.« Jimi lachte. »Na ja, jedenfalls fast. Wenn ich erst bei der Army bin, werde ich mir eine E-Mail-Adresse zulegen. Schreib mir mal, dann schreibe ich dir auch.
    Am besten, du bleibst bei Jo, sie ist in Ordnung. Ziemlich deutsch, aber in Ordnung. Auf jeden Fall hat sie einen Narren an dir gefressen und wird besser für dich sorgen als Bernadine.
    Ach ja – und grüß Sim von mir. Ich mochte sie wirklich, aber ich hab’s verbockt. Sie ist ein ganz besonderes Mädchen, pass gut auf sie auf. Und vielleicht kommt sie deinetwegen sogar nächstes Jahr wieder.
    Pass auch gut auf die Medizin des Häuptlings auf. Den Stein nehme ich mit, er wird mich vor den Kugeln der Taliban schützen. Den Rest musst du hüten, bis ich zurückkomme. Sim und die heiligen Dinge, ich weiß beides in guten Händen bei dir.« Wieder lachte Jimi. »Toksa aké, Luke. Auf bald.«
    Jimis Stimme verklang und zurück blieb das Rauschen der laufenden Bänder. Lukas drückte auf Stopp.
    »Du Idiot«, flüsterte er und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. »Du verdammter Idiot.«
    Lukas holte tief Luft. Er war immer der Meinung gewesen, Jimi hätte sich sorglos treiben lassen, dabei hatte er ganz entschieden auf ein Ziel hingearbeitet. Nichts, was ihm selbst dienlich gewesen wäre, nein, er hatte einen teuren Blindencomputer abgezahlt, Monat für Monat.
    Jimi war einfach der gewesen, der er war: ein unverbesserlicher Schürzenjäger. Sein bester Freund. Sein Hunka-Bruder.
    Der Gedanke an eine Zukunft ohne Jimi verunsicherte ihn immer noch zutiefst. Von nun an würde ein Teil seines Lebens fehlen. Aber es würde weitergehen und die Traurigkeit würde nicht alles sein. Lukas hatte das Gefühl, auf etwas Neues zuzugehen, auch wenn der Boden unter seinen Füßen aus dünnem Eis bestand.
    Jemand setzte sich neben ihn und er atmete ihren Duft. Heaven. Lukas stellte den Rekorder zur Seite, zog die Beine an die Brust und schlang seine Arme darum. Wie lange hatte sie schon zugehört? Er hoffte, lange genug. Dann brauchte er nicht zu reden, denn er kämpfte immer noch mit den Tränen.
    »Du darfst um ihn weinen«, sagte Sim und legte ihren Kopf auf seine Schulter.
    Zwei Tage später stand Sim mit ihrem Rucksack und zwei Reisetaschen auf dem kleinen Flughafen von Rapid City. Es regnete und die Bäume vor der Halle bogen sich im Wind.
    Sie trug dieselben Sachen, in denen sie vor sechs Wochen hier angekommen war. Die roten Nylons, das bunte T-Shirt, den Flickenrock mit den ausgefransten Zipfeln und die Lederstiefel mit den weißen Punkten. Ihre Haare leuchteten feuerrot – nur auf die Igelspitzen hatte sie verzichtet. Wenn ihre Eltern sie am Flughafen in Frankfurt abholten, sollten sie nicht vorschnell an einen Erfolg glauben, an eine verwandelte Tochter. Klamotten besagen nichts, das war eine der Lektionen, die sie lernen mussten.
    Das Reservat hatte keinen anderen Menschen aus Sim gemacht, es hatte den Menschen zum Vorschein gebracht, der sie war. Jemanden, den sie mochte. Wir sind nicht die Chemie in unserem Hirn. Wir haben die Macht, unser Verhalten zu ändern und unsere Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Und unsere Gefühle machen uns einzigartig.
    Sim lächelte, während Tränen über ihre Wangen liefen. Von Michael hatte sie sich bereits auf dem Parkplatz verabschiedet, er war beim Wagen geblieben.
    Sie umarmte ihre Tante. »Danke, Tante Jo. Danke für alles.«
    »Ich danke dir«, sagte Jo und ihre Stimme schien gegen einen dicken Frosch im Hals zu kämpfen. »Grüß meinen Bruder und Sabine. Ich danke ihnen dafür, dass ich Zeit mit ihrer wunderbaren Tochter verbringen durfte.«
    Sim lachte, wischte über ihre Augen. »Ich werde dich nächstes Jahr wieder heimsuchen.«
    »Ich freue mich drauf. Und jetzt lasse ich euch allein. Ihr habt zehn Minuten, dann musst du durch die Security.«
    Jo wandte sich um und setzte sich ein paar Schritte weiter auf eine der Bänke.
    Sim schlang die Arme um Lukas’ Hüften und küsste ihn. Er verzog seine Lippen zu einem Lächeln, aber es fiel kläglich aus. Offensichtlich hatte es ihm die Sprache verschlagen. Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und legte seine Stirn gegen ihre.
    »Was heißt Goodbye auf Lakota, Luke?«
    Er hob den Kopf und
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