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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen
Autoren: Iny Lorentz
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kommt?«, fragte sie mit eisiger Stimme.
    Ihr Sohn verzog das Gesicht. »Ich habe keine Ahnung. Ich wäre schon froh gewesen, wenn wir heuer die Zinsen hätten zahlen können, die auf uns lasten. Jetzt kann ich nicht einmal mehr das!«
    »Dann musst du mit deinen Bankiers reden, damit sie dir die Zinsen stunden und einen neuen Kredit geben.«
    Ottwald von Trettin stieß ein höhnisches Lachen aus. »Die Herren Bankiers empfangen mich nicht einmal mehr, sondern lassen sich verleugnen, wenn ich erscheine. Wir sind nicht mehr kreditwürdig, meine liebe Mama.«
    »Aber du musst doch etwas tun!«
    »Ich hatte die Hoffnung, dieses Jahr überstehen und im nächsten einen der Kredite ablösen zu können. Aber das ist jetzt nicht mehr möglich. Wir sind am Ende, liebe Mama! Wenn wir nicht wollen, dass Trettin unter den Hammer kommt, muss ich nach Berlin fahren und Onkel Fridolin um Geld bitten. Da ein Zusammenbruch des Gutes auch seinen Namen beschädigen würde, wird ihm nichts anderes übrigbleiben, als mich zu unterstützen.«
    »Du wirst nicht zu diesem Lumpen fahren!«, brach es aus Malwine heraus. »Dieser verfluchte Fridolin und seine Frau Lore sind ganz allein an unserem Unglück schuld. Ich wollte, sie wären tot.«
    »Das herbeizuführen, hast du schon einmal vergeblich versucht«, antwortete ihr Sohn ungerührt. »Heute bin ich froh, dass dein Plan gescheitert ist. Einen Toten könnte ich nämlich nicht mehr um Geld angehen.«
    Malwine fuhr zornig auf. »Du wirst Fridolin um gar nichts angehen! All das, was er erreicht hat und jetzt ist, hat er dem Geld zu verdanken, das sein verfluchter Onkel unserem Gut entzogen und seiner Enkelin zugesteckt hat. Wir werden ihn anzeigen und fordern, uns diesen Betrag mit Zins und Zinseszinsen zurückzugeben. Danach steht unser Gut wieder herrlich und in Freuden da! Du wirst sofort morgen nach Königsberg zu unserem Anwalt reisen und …«
    »Meine liebe Mama, Hirngespinsten zu folgen ist der sicherste Weg in den Untergang. Wenn wir Fridolin und dessen Ehefrau verklagen, erinnern diese sich gewiss daran, dass die im Familiengesetz derer von Trettin festgeschriebene Mitgift für die Tochter beziehungsweise in diesem Fall die Enkelin des Majoratsherrn beim Wechsel des Gutes auf einen anderen Zweig der Familie niemals ausbezahlt worden ist. Wenn Fridolin diese Summe mit Zins und Zinseszinsen von uns fordert, können wir ihm gleich das ganze Gut schenken. Uns bliebe dann nämlich gar nichts mehr.«
    Malwine war den Ausführungen ihres Sohnes mit wachsender Erregung gefolgt. Ihr Hass auf Fridolin und Lore hatte in den letzten Jahren sogar ihre Träume beherrscht. Nun brachte sie der Gedanke, dass es ihren Verwandten sogar möglich wäre, sie mit einem Federstrich vom Gut zu verjagen, derart in Rage, dass sie die Likörflasche packte und gegen die Wand schleuderte. Die Flasche zerplatzte klirrend, und der dickflüssige Likör spritzte durch den halben Raum.
    Ottwald von Trettin bekam ebenfalls ein paar Tropfen ab und entfernte diese mit seinem Taschentuch. »Du solltest dich nicht so echauffieren, meine liebe Mama, sondern besser daran denken, wie wir in diese Situation geraten konnten.«
    »Wie anders als durch das Geld, das der alte Trettin dem Gut gestohlen und seiner Enkelin zugesteckt hat!«, blaffte Malwine ihn an.
    »Contenance, meine liebe Mama! Mit deinen Wutanfällen konntest du vielleicht Papa beeindrucken, aber an mich sind sie verschwendet. Ich habe die Bücher des Gutes genau studiert. Lores Großvater Wolfhard Nikolaus von Trettin hat vielleicht nicht alles getan, um das Gut auf der Höhe zu halten, aber keinesfalls jene Märchensummen der Kasse entnommen, die du dir in deiner Phantasie vorstellst. Als mein Vater das Gut übernahm, war es in einem stabilen Zustand, und das hätte auch so bleiben können, wenn du nicht unseren Inspektor dazu gebracht hättest, die Bücher zu fälschen und dir den größten Teil der unterschlagenen Summen zu überlassen. Damit hast du vor einigen Jahren in Berlin die große Dame gespielt und auch deinem damaligen Liebhaber einiges an Geld zugesteckt.«
    Malwine empfand die Anklage ihres Sohnes als so unverschämt, dass sie mit der Hand ausholte, um ihm eine Ohrfeige zu geben. Doch Ottwald entzog sich mit einer geschickten Bewegung und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Das ist die Wahrheit, meine liebe Mama! Immer, wenn Onkel Fridolin Maßnahmen angeordnet hat, die die Ertragsfähigkeit des Gutes erhöhen sollten, hat der Inspektor
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