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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen
Autoren: Iny Lorentz
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durch die das Sonnenlicht wie ein Versprechen einer besseren Zeit auf das Gut fiel.
    »Herr Ottwald wird den Verlust verschmerzen, denn er wird jetzt viel Geld von der Versicherung erhalten. Ich hoffe nur, er lässt wirklich eine neue Scheuer errichten und kauft bei den Nachbarn Heu. Wenn er es nur für sich und seine Mutter ausgibt, hat das Gut keine Zukunft mehr. Aber so unvernünftig wird selbst er nicht sein.«

IV.
    O ttwald von Trettin hatte sich umgezogen und betrat die Räume seiner Mutter. Auch diese trug nun trockene Kleider, war aber noch nicht dazu gekommen, sich die Haare richten zu lassen. Jetzt starrte sie mit verbissener Miene durch das Fenster auf die Scheune, deren verkohlte Balken im hellen Sonnenschein feucht glänzten. Ihre Gedanken galten jedoch nicht dem Unglück, sondern der alten Frau, die mit ihren Beschimpfungen die Wunden der Vergangenheit wieder aufgerissen hatte.
    »Miene muss weg!«, erklärte sie kategorisch.
    »Wie stellst du dir das vor? Das Jagdhaus von Doktor Mütze gehört nicht zu Trettin, und dieser Schleicher hat ihr das Wohnrecht dort bis zu ihrem Tod zugesichert. Wie wir erfahren mussten, ist das sogar beim Notar in Heiligenbeil hinterlegt.« Ottwald von Trettin blickte seine Mutter fragend an. »Soll ich sie für dich erschießen, so wie Vater es mit seinem Kutscher vorgehabt hatte?«
    »Ich wollte, er hätte es getan. Doch nicht einmal dazu war er Manns genug!« Malwine schnaubte, goss sich ein Glas Likör ein und trank es in einem Zug leer. »Irgendwie werde ich diesem Miststück den Mund stopfen, und wenn ich ihr eigenhändig das Genick brechen muss!«, fügte sie hinzu, als sie das Glas wieder auf das Intarsien-Tischchen stellte.
    »Wir haben derzeit wahrlich andere Sorgen als diese verrückte Alte.« Ottwald von Trettin holte sich ebenfalls ein Glas aus dem Schrank.
    Während er es füllte, schüttelte seine Mutter stöhnend den Kopf. »Es ist verflucht ärgerlich, dass die Scheuer niedergebrannt ist. Wir hätten doch dem Vorschlag des Vertreters der Berlinischen Feuer-Versicherungs-Anstalt folgen und die Versicherungssumme erhöhen sollen. So können wir von Glück sagen, wenn das Geld für eine neue reicht. Das verbrannte Heu wirst du nur dann ersetzen können, wenn du einen Teil des Viehs verkaufst.«
    Ottwald von Trettin trank sein Glas leer, bevor er antwortete. »Es tut mir leid, Mama, aber wir werden kein Geld von der Versicherung bekommen!«
    Seine Worte trafen seine Mutter wie ein Schlag. »Was sagst du da?«
    »Ich habe vergessen, die Versicherungsprämie zu zahlen.« Es fiel Ottwald von Trettin nicht leicht, dies zuzugeben, doch er wagte nicht, sein Geständnis hinauszuzögern. Erfuhr seine Mutter es von anderer Seite, war es noch weitaus schlimmer.
    Malwine war so entsetzt, dass sie keine Kraft für einen Wutausbruch aufbrachte. »Aber wie konntest du nur … Du hattest dir das Geld dafür doch extra aus der Kasse genommen!«
    Ihr Sohn lachte bitter auf. »Ich wollte die Summe ja einzahlen, aber dann musste ich dringend nach Königsberg und habe das Geld für diese Fahrt verwendet. Danach habe ich nicht mehr daran gedacht.«
    Das war gelogen. Nachdem so viele Jahre lang nichts auf dem Gut passiert war, hatte Ottwald von Trettin geglaubt, er könnte sich das Geld für die Versicherung sparen und es für seine eigenen Bedürfnisse ausgeben.
    Malwine ahnte dies und funkelte ihren Sohn, außer sich vor Zorn, an. »Du hast das Geld verlumpt!«
    »So würde ich es nicht nennen. Ich habe es gebraucht, um standesgemäß auftreten zu können. In dem Hotel, in dem ich übernachten musste, befand sich eine junge Dame, die ich gerne zur Ehefrau gewonnen hätte«, antwortete Ottwald von Trettin gelassen.
    »Was hat diese Dame ausgezeichnet, Schönheit oder …«
    »Geld!«, unterbrach der junge Mann seine Mutter. »Sie ist eine schwerreiche Erbin, aber leider verlobt. Als ich das erfahren habe, war der Champagner bereits getrunken.«
    Malwine konnte sich denken, dass es nicht bei Champagner geblieben war. Wahrscheinlich hatte ihr Sohn die junge Dame in die teuersten Restaurants von Königsberg eingeladen und auch sonst noch einiges an Geld ausgegeben. In der Hinsicht war er das genaue Gegenteil ihres ermordeten Ehemanns, zu dessen hervorstechendsten Charaktereigenschaften eine kräftige Portion Geiz gezählt hatte. Doch das war im Augenblick nicht wichtig.
    »Wovon willst du dann eine neue Scheuer errichten lassen und Heu kaufen, damit unser Vieh über den Winter
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