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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen
Autoren: Iny Lorentz
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ebenfalls wahrgenommen und machte eine verächtliche Handbewegung. »An dem hat der Gutsherr gerade die richtige Unterstützung!«
    Die Köchin, die es aufgegeben hatte, die Glocke zu läuten, und sich wieder unter das Gesinde auf dem Hof einreihte, verzog das Gesicht. »Der Inspektor braucht seine ganze Kraft für die gnädige Frau. Bei der ist er sehr fleißig.«
    »Sei still!«, wies Hannes sie zurecht.
    Es war ein offenes Geheimnis, dass die Mutter des Gutsherrn ein Verhältnis zum Gutsinspektor pflegte, doch da ihr Sohn nichts dagegen unternahm, wagte das Gesinde es normalerweise nicht, Kritik zu äußern.
    Hannes zuckte mit den Achseln. »Das ist immer noch besser, als wenn er den Mägden nachstellen würde«, murmelte er vor sich hin und lief zur Straße, die vom gleichnamigen Dorf zum Gut Trettin hochführte. Tatsächlich näherten sich endlich Gespanne im raschen Tempo. »Die Spritze von Elchberg kommt, ebenso die Feuerwehr von Bladiau. Jetzt können wir wenigstens den Stall und die anderen Gebäude sichern!«
    Er warf einen kurzen Blick auf die Scheune, über deren Resten immer wieder Flammen aufloderten, und ging dann den Helfern entgegen.
    Noch während er die Knechte aus Elchberg und die übrigen Feuerwehrleute begrüßte und sie anwies, die Mauern und Dächer der anderen Gebäude zum Schutz gegen den starken Funkenflug feucht zu halten, raste ein letzter Blitz durch den Äther. Kaum war der folgende Donnerschlag verhallt, öffnete der Himmel seine Schleusen, und ein Wolkenbruch ergoss sich über das Land. Innerhalb weniger Augenblicke waren alle Anwesenden bis auf die Haut durchnässt. Die Glutnester in der Scheuer zischten. Nach verbranntem Heu riechender Dampf stieg auf und legte sich wie eine erstickende Dunstglocke über das Gut.
    »Tut mir leid für Sie, Trettin. Wir sind gekommen, sobald wir die Flammen entdeckt haben. Aber ein Blitz ist nun einmal schneller als ein Mensch!« Graf Elchberg, ein älterer, hagerer Mann, streckte Ottwald von Trettin die Hand hin.
    Der Gutsherr achtete jedoch nicht auf ihn, sondern fluchte unflätig. »Das muss mit dem Teufel zugegangen sein!«, schrie er schließlich mit zurückgeworfenem Kopf, so als wolle er den Himmel anklagen.
    »Nicht mit dem Teufel, sondern mit dieser Hexe da!«, stieß seine Mutter aus und zeigte auf eine alte Frau, die sich humpelnd dem Gutshof näherte.
    Die Greisin war dürr wie ein Zweig. Dünnes weißes Haar klebte nass an ihrem ausgemergelten Kopf, und ihre Kleidung bestand aus Fetzen, die sie aneinandergenäht hatte. Als sie sich der Brandstelle näherte, leuchteten ihre Augen triumphierend auf.
    »Sieh auf deine Scheuer, Malwine! Das ist die Strafe des Himmels für das Feuer an jener Stelle.« Die Alte wies auf ein Haus, das aus Backsteinen errichtet worden war und ein Dach aus Schieferplatten trug. Es handelte sich um das Wohnhaus des Lehrers, das gleichzeitig als Schulhaus diente. Die meisten Knechte und Mägde konnten sich noch gut daran erinnern, dass dort einmal ein kleineres Haus mit einem Reetdach gestanden hatte, und auch an das schreckliche Unglück, dem dieses samt seinen Bewohnern zum Opfer gefallen war.
    »Hörst du in den Nächten das Schreien der Menschen, die dort verbrannt sind, weil dein Mann ihr Haus angezündet hat, Malwine?«, fragte die alte Frau mit schriller Stimme. »Voller Neid und Gier hat er seine eigenen Verwandten umgebracht! Viel hat es dir damals nicht gebracht, denn du bist rasch Witwe geworden. Doch ein Leben kann die Schuld von damals nicht tilgen! Noch steht die letzte Abrechnung des Herrn aus, und sie wird keine Gnade kennen. Höre meine Worte, Malwine! Dieses Feuer hier ist nur der Anfang. Der Tag wird kommen, an dem auch dich die Flammen verschlingen und in die Hölle senden!«
    Malwine von Trettin hatte einige Augenblicke mit bleichem Gesicht zugehört, aber bei den letzten Worten der Alten entriss sie ihrem Sohn die Reitpeitsche und ging auf die Greisin los.
    »Du elende Hexe! Dich sollte man ins Irrenhaus sperren! Ich werde dich lehren, meinen toten Gemahl und mich zu beleidigen.«
    Obwohl jeder ihrer Ausrufe von einem heftigen Peitschenhieb begleitet wurde, lachte die Alte nur und wies auf das Haus des Inspektors. »Auch wenn du mich schlägst, kannst du nicht aus der Welt schaffen, dass dein Mann ein Mörder war und du eine Hure bist, die es mit dem Suffkopf dort drüben treibt.«
    Rasend vor Wut, schlug Malwine wieder und wieder zu. Nun stöhnte die alte Frau vor Schmerz, schrie der Mutter
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