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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen
Autoren: Iny Lorentz
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starrten.
    Nun erst setzten sich die Männer und die vor dem Wetterschlag geflohenen Mägde in Bewegung, holten Eimer und bildeten eine Kette vom Teich bis zu dem brennenden Gebäude. Doch das Wasser, das sie auf diese Weise herbeischafften, verdampfte in der Hitze, ehe es den Boden erreichte.
    »Jetzt bräuchten wir die Spritze!«, rief einer der Männer mit einem verzweifelten Blick auf den Gutsherrn.
    Diesem zuckte es in den Händen, den Mann zu schlagen, doch er unterließ es, um die Löschkette nicht zu unterbrechen. Der Vorwurf des Knechts hatte ihn getroffen. Seit mehr als einem Jahr war die Löschspritze von Trettin defekt, doch er hatte sie immer noch nicht reparieren lassen. Daher blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten, bis der Brand auf den Nachbargütern und in Bladiau bemerkt wurde und von dort Hilfe kam.
    Malwine von Trettin, die Mutter des Gutsherrn, eilte händeringend auf ihren Sohn zu. »Wo bleibt denn die Feuerwehr? Uns brennt noch die ganze Scheuer mit all dem Heu ab, das wir heuer bereits eingefahren haben!«
    »Verdammt! Kann denn keiner nach Elchberg reiten, um die Leute dort zu alarmieren?«, brüllte Ottwald von Trettin, ohne auf das Gejammer seiner Mutter einzugehen.
    Doch niemand wagte es, sich aus der Löschkette zu lösen und ein Pferd aus dem Stall zu holen. Nur ein paar halbwüchsige Bengel, die aus dem Dorf Trettin herbeigeeilt waren, rannten querfeldein, um das Nachbargut schneller zu erreichen.
    »Schlag Alarm!«, rief Hannes der Köchin zu, die sich in die Löschkette einreihen wollte. Sie machte sogleich kehrt, und kurz darauf bimmelte die Glocke. Doch in dem pausenlosen Grollen und Rumpeln der Donnerschläge erreichte ihr Ton kaum den Hof.
    Der böige Wind fachte das Feuer immer stärker an, und so mussten Hannes und die beiden Knechte, die mittlerweile der Scheuer am nächsten standen, Schritt für Schritt vor den Flammen zurückweichen. Obwohl sie einen Eimer nach dem anderen in die tosende Glut schütteten, wussten sie längst, dass sie auf verlorenem Posten standen.
    Mittlerweile brannte die Scheune auf der gesamten Länge. Die ersten Teile des Daches brachen ein, und der Funkenregen trieb die Helfer noch weiter zurück. Hannes sandte einen verzweifelten Blick gen Himmel, auf dem sich schwarze Wolkenberge von Horizont zu Horizont türmten. »Wenn es doch endlich regnen würde!«, stöhnte er, obwohl er ahnte, dass auch ein Wolkenbruch nichts mehr würde retten können.
    Die Mutter des Gutsherrn rief noch immer nach den Feuerwehren des Umlands und verfluchte im nächsten Atemzug die Nachbarn, die sie im Stich ließen. All ihre Worte konnten jedoch nicht verhindern, dass die riesige Scheuer schließlich zusammenbrach und bis auf die Grundmauern in Flammen stand.
    Als ein weiterer Funkenregen über dem Hof niederging, gab Hannes den nutzlosen Versuch auf, noch etwas retten zu wollen. Da der Wind mit einem Mal drehte, wies er das Gesinde und die Dorfbewohner an, sich um den Stall und das Gutshaus zu kümmern, denn die Gebäude liefen nun ebenfalls Gefahr, vom Funkenflug erfasst und in Brand gesetzt zu werden.

II.
    O ttwald von Trettin starrte auf die glühenden Überreste der Scheune und fühlte eine Wut in sich aufsteigen, die sich gegen Gott und die gesamte Menschheit richtete.
    »Verdammt, verdammt, verdammt!«, schrie er. »Warum muss das ausgerechnet mir passieren? Es gibt doch genug Gutshöfe in der Gegend, in die der Blitz hätte einschlagen können!«
    Die Knechte und Mägde sahen sich erschrocken an. Schlimm genug, dass dieses Unglück Trettin ereilt hatte, das Feuer jedoch den Nachbarn zu wünschen, forderte ihrer Meinung nach Gott heraus. Verängstigt sammelten sie sich um Hannes und richteten sich nach dessen Anweisungen, da der Gutsherr in seiner kopflosen Wut nicht mehr in der Lage schien, vernünftige Befehle zu erteilen.
    Die Dorfbewohner, die über die Verhältnisse auf Trettin nicht auf dem Laufenden waren, sahen zum Haus des Inspektors hinüber und wunderten sich, dass dieser sich nicht blicken ließ. Tatsächlich hatte der Mann den Kopf kurz aus der Tür seines Wohnhauses gestreckt, um zu sehen, was draußen vorging. Da er sogar mit seinem alkoholumnebelten Kopf begriff, dass die große Scheune niederbrannte, beschloss er, Ottwald von Trettin in dieser Situation lieber nicht begegnen zu wollen. So kehrte er in sein Wohnzimmer zurück, um auf diesen Schreck ein paar weitere Schnäpse zu trinken.
    Hannes hatte das kurze Auftauchen des Inspektors
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