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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen
Autoren: Iny Lorentz
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hat mir das Leben gerettet. Ohne ihn wäre ich nicht mehr aus dem Haus gekommen.«
    »Natürlich.« Lore blickte sich um, ob jemand in der Nähe war, der sich um Fridolin kümmern konnte, und entdeckte Nele, die zusammen mit Fräulein Agathe und den Kindern in der Nähe saß.
    »Nele, können Sie nach meinem Mann sehen? Ich will in Erfahrung bringen, wie es seinem Kammerdiener geht.«
    Während ihre Zofe herankam, ging Lore auf das Haus zu, wurde aber bald von einem älteren Herrn aufgehalten. »Gehen Sie nicht weiter! Das Gemäuer wird bald einstürzen, und dann gibt es hier einen Funkenhagel, der Ihnen mehr versengen kann als nur ein paar Haare.«
    Lore erkannte den Besitzer des Nachbarguts. »Graf Elchberg!«
    Dieser sah in die Flammen und schüttelte den Kopf. »Das ist kein gutes Jahr für Trettin. Erst ist die Scheuer abgebrannt und jetzt das Herrenhaus. Es wird viel Geld kosten, das alles zu ersetzen. Soviel ich gehört habe, sind die Prämien für die Versicherung nicht bezahlt worden. Die Berlinische Feuer-Versicherungs-Anstalt wird sich daher weigern, den Schaden zu begleichen.«
    »Wir haben nicht das Geld, Trettin wiederaufzubauen, Graf Elchberg, denn wir haben vor kurzem ein anderes Gut übernommen. Das war zwar auch herabgewirtschaftet, aber wenigstens stehen die Gebäude noch. Doch nun entschuldigen Sie mich bitte. Ich möchte nach dem Kammerdiener meines Mannes sehen.« Lore nickte Graf Elchberg noch kurz zu und ging auf einen Mann zu, dessen Tasche darauf hinwies, dass es sich um den Arzt handelte. Er war zu einem Kranken auf Elchberg gerufen worden und bei der Meldung, auf Trettin würde es brennen, sogleich mitgekommen.
    Der junge Mediziner war gerade dabei, Kowalczyks Brandwunden mit einem Puder zu bestreuen und zu verbinden.
    Lore atmete auf, denn bei einem Toten hätte er es nicht mehr tun müssen. »Wie geht es ihm, Herr Doktor?«
    »Eigentlich müsste er bei dem Rauch, den er eingeatmet hat, tot sein. Aber er lebt, und sein Puls fühlt sich von Mal zu Mal kräftiger an. Sind Sie Gräfin Trettin?«
    Lore nickte. »Das bin ich. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch nach meinem Mann sehen könnten.«
    »Einen Moment, ich komme gleich!«
    Da der Arzt den Anschein erweckte, als wolle er Kowalczyks Behandlung abbrechen, um zu Fridolin zu können, hob sie die Hand. »Helfen Sie bitte erst weiter Herrn Kowalczyk. Er ist schwerer verletzt als mein Mann.«
    »Wie Sie wünschen!«, sagte der Arzt und wandte sich wieder dem Kammerdiener zu.
    Unterdessen sah Lore den Pastor herankommen. Er wirkte verwirrt, erklärte dann aber einem der Knechte, dass Herr von Trettin und dessen Familie doch bei ihm im Pfarrhaus unterkommen könnten.
    Dort hatte Lore nach dem Feuertod ihrer Eltern und Geschwister eine Nacht verbringen müssen, und sie erinnerte sich nur allzu gut an die wenig trostreiche Behandlung, die sie von den Pfarrersleuten erfahren hatte. Ein zweites Mal würde sie sich deren salbungsvollen, aber herzlosen Sprüchen nicht aussetzen. Daher drehte sie sich wortlos um, gesellte sich wieder zu Graf Elchberg und sprach diesen an. »Darf ich Sie um etwas bitten?«
    »Gerne!«
    »Ich würde mich freuen, wenn Sie meiner Familie und unseren drei Getreuen bei sich auf Elchberg Obdach bieten könnten, solange wir uns hier aufhalten.«
    »Es wird mir eine Ehre sein«, antwortete der Graf und beschloss im Stillen, mit Fridolin über eine Angelegenheit zu sprechen, die ihnen beiden zum Nutzen gereichen sollte.

XI.
    D er Ostwind hatte den Brandgeruch fortgeweht, und nur noch Mauerreste und verkohlte Balken kündeten von der Stelle, an der das einst prächtige Herrenhaus von Trettin gestanden hatte. Lore blickte vom Friedhof aus den Hügel hoch und schauderte. Zwar waren sie und ihre Familie mit dem Leben davongekommen, und Kowalczyk würde sich ebenfalls wieder erholen, aber es hatte zwei Opfer gegeben. Eines musste Malwine sein, die seit dem Brand nicht mehr gesehen worden war. Um diese Frau vermochte Lore nicht zu trauern. Dafür aber tat es ihr um Ursel leid.
    Graf Elchberg zufolge hatte man in der niedergebrannten Ruine die verkohlten Überreste von zwei Frauen entdeckt, ohne diese identifizieren zu können. Beide würden nun ein gemeinsames Grab im hinteren Teil des Kirchhofs finden. Lore war erleichtert, dass Malwine keinen Platz in der Gruft der Trettin bekam. So großherzig, der Frau nach ihrem Tod verzeihen zu können, war sie nicht. Es fiel ihr schon schwer genug, die Namen Ottokar und Ottwald von
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