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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen
Autoren: Iny Lorentz
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Trettin auf der Marmortafel zu dulden, die den Eingang in die Gruft bedeckte.
    Auch der Name ihres Großvaters stand dort, doch Malwine hatte diesen ausspachteln und mit Farbe überstreichen lassen, so dass man ihn nicht lesen konnte. Das würde nun anders werden.
    Mit einem Seufzer stand Lore auf und ging in den Teil des Friedhofs, in dem ihre Eltern und Geschwister begraben lagen. Dort sprach sie ein letztes Gebet und wandte sich zum Gehen. Der kühle Wind zerrte an ihr. Eine kleine Windhose wehte Staub der Straße hoch und trug ihn auf das Pfarrhaus zu. Der Pastor und dessen Frau standen vor der Tür und sahen ganz so aus, als wollten sie sie ansprechen. Doch der Staub trieb sie ins Haus zurück, und als sie wieder herauskamen, hatte Lore die Stelle bereits passiert.
    Dort, wo einst ihr Elternhaus gestanden hatte, wartete Fridolin mit dem Wagen auf sie.
    Lore lächelte ihm zu und ließ sich hinaufhelfen. »Wie geht es dir, mein Lieber?«
    »Dem Arzt zufolge habe ich mich von meiner Rauchvergiftung schon halbwegs erholt. Es bedrückt mich jedoch, dass ich Malwine so blind in die Falle getappt bin und damit dein Leben, das der Kinder und das unserer Bediensteten aufs Spiel gesetzt habe!«
    »Niemand konnte ahnen, dass es so kommen würde. Doch als wir in Gefahr schwebten, hast du die Übersicht behalten und uns alle gerettet!«
    »Aber nur, weil du mir den Weg gezeigt hast! Außerdem hätte ich es ohne den braven Kowalczyk nicht geschafft.« Ein leichtes Lächeln spielte um Fridolins Lippen. »Ich bin so glücklich, dass ich dich habe!«
    »Und ich, weil ich dich habe.« Lore lehnte sich mit einem versonnenen Blick an ihren Mann und begann plötzlich zu lachen.
    »Was ist denn jetzt los?«, fragte Fridolin erstaunt.
    »Mir ist eingefallen, dass wir Malwines Ränke von nun an nicht mehr zu fürchten haben, mein Lieber. Damit sind die letzten Schatten der Vergangenheit gewichen und wir endlich frei! Jetzt können wir glücklich und zufrieden leben, unsere Kinder zu guten Menschen erziehen und unsere Zukunft mit eigenen Händen gestalten.«
    »Das werden wir!«, antwortete Fridolin mit feierlichem Ernst und gab dem Kutscher das Zeichen zum Aufbruch.
    »Ich habe Trettin mit allen seinen Liegenschaften für zehn Jahre an Graf Elchberg verpachtet«, sagte er, als das Dorf hinter ihnen zurückblieb. »Er hat mir versprochen, alle Leute, die noch dort wohnen, zu übernehmen und für sie zu sorgen. Damit werden Hannes und das übrige Gesinde von nun an ein besseres Leben haben.«
    »Das freut mich! Es hätte mir weh getan, wenn die armen Leute Malwines letzte Opfer geworden wären.« Lore wischte über die Stirn, als wollte sie die Erinnerung an jene Frau wegwischen.
    Fridolin seufzte. »Allerdings wird die Pacht gerade ausreichen, um die Zinsen für die Hypotheken zu bezahlen, die auf dem Gut lasten. Aber ich will uns Zeit lassen zu entscheiden, was wir mit Trettin anfangen sollen.«
    Lore nickte stumm, so weit wollte sie im Augenblick nicht denken.
    Kurz darauf passierte der Wagen die Stelle, an der der Weg zu dem alten Jagdhaus abging. Für einen Augenblick glaubte Lore, die alte Miene dort stehen zu sehen. Doch als sie sich umdrehte, um sich zu vergewissern, war die Stelle leer, und sie konnte nicht sagen, ob sie es sich nur eingebildet hatte.
    »Hoffentlich sind die anderen rechtzeitig am Bahnhof«, nahm sie das Gespräch wieder auf.
    »Das sind sie gewiss, vor allem, da Wolfi selbst kutschieren will!« Auch Fridolin lachte jetzt.
    Lore begriff, dass ihr Mann den Schreck über den heimtückischen Anschlag überwunden hatte, und freute sich darauf, an seiner Seite nach Berlin zurückzukehren. »Lange werden wir uns dort jedoch nicht aufhalten können«, sagte sie nachdenklich.
    Ihr Mann sah sie irritiert an. »Wovon sprichst du?«
    »Du glaubst doch nicht, dass Nathalia ihre Hochzeit ohne uns feiern wird. Es soll eine gewaltige Feier auf Steenbrook geben und eine weitere auf Nehlen. Wir sollten, wenn wir wieder zu Hause sind, das Tanzen üben, mein Lieber, damit wir eine gute Figur machen. Oder glaubst du, ich trage um Malwines willen Trauer?«
    »Nein, das tun wir ganz gewiss nicht!«, antwortete Fridolin und freute sich auf den nächsten Tanz mit seiner Frau.
    Zwar lag eine schreckliche Zeit hinter Lore und ihm, aber er sah eine golden leuchtende Zukunft vor ihnen aufziehen.

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Nachwort
    M it diesem Roman endet die Geschichte um Lore von Trettin und all ihren Freunden. Das Jahr 1887 ist gleichzeitig das letzte
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