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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen
Autoren: Iny Lorentz
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musste aber vor der Tür auf Fridolin warten, weil sie beide Kinder auf dem Arm trug. An ihr vorbei stürzte er in das Zimmer.
    Während Wolfi mit weit aufgerissenen Augen zusah, wie die Flammen hinter ihnen herzüngelten, kreischte Doro nun, als stecke sie am Spieß.
    »Es wird alles gut werden, meine Kleine!«, versuchte Lore ihre Tochter zu beruhigen und sah zu, wie Fridolin das Fenster öffnete und an den Gitterstäben rüttelte.
    »Die Stange hier ist tatsächlich lose!«, rief er hoffnungsvoll. Die anderen Stäbe saßen jedoch fest. Aus dem Dorf eilten bereits Männer und Frauen heran, blieben aber in achtbarem Abstand stehen und konnten nichts tun, da die Feuerspritze auf Trettin noch immer nicht repariert worden war.
    Fridolin entdeckte den Vorarbeiter Hannes und schrie gegen das Tosen der Flammen an. »Hier sind wir. Rasch kommt, wir werfen euch die Kinder zu!«
    »Gott sei Dank! Dann werden wenigstens unsere Kleinen gerettet«, stieß Lore hervor und reichte ihm Wolfi.
    Ihr Mann musste jedoch warten, bis jemand nahe genug heran war, um die Kinder auffangen zu können. Daher drehte er sich zu Nele um, die in der Nähe der Tür an der Wand lehnte und offenbar bereits mit dem Leben abgeschlossen hatte.
    »Mach die Tür zu! Der Luftzug facht das Feuer an!«
    Nele rührte sich nicht, doch Kowalczyk war mit ein paar Schritten bei der Tür und schlug diese ins Schloss. Danach kehrte er zum Fenster zurück.
    »Wenn Herr Hauptmann erlauben, wir sollten sehen, ob wir können reißen aus auch zweite Stange. Dann wäre möglich, Frauen hinauszulassen.«
    Fridolin nickte. »Ja, aber erst, wenn die Kinder in Sicherheit sind!«
    Inzwischen hatten sich mehrere Instleute unter dem Fenster eingefunden und streckten die Arme nach oben. Fridolin atmete tief durch, hob Wolfi auf und küsste ihn kurz auf die Stirn, dann steckte er den Jungen ins Freie und warf ihn Hannes zu.
    Dieser fing das Kind auf und drückte es sogleich einer Magd in die Arme, um für Doro bereit zu sein. Als auch diese in Sicherheit war, wandte er sich dem neben ihm stehenden Knecht zu: »Vielleicht können wir ein Seil hochwerfen. Wenn dies um die Gitterstäbe gewickelt wird, sollten wir den Fensterstock herausreißen können.«
    »So viel Zeit bleibt uns nicht«, rief der Knecht verzweifelt.
    Hannes starrte das brennende Herrenhaus an und fragte dann, ob jemand Ursel gesehen habe.
    Die Umstehenden schüttelten den Kopf.
    »Wir müssen auch nach ihr sehen! Tut ihr zwei das! Wir anderen …« Hannes brach ab, denn er fühlte sich so hilflos wie noch nie in seinem Leben. Für eine Löschkette vom Teich her waren sie zu wenige, die Feuerspritze funktionierte nicht, und das Feuer hatte nun Teile des Daches erfasst.
    »Beeilen Sie sich, Herr Graf!«, rief er Fridolin zu, der wie von Sinnen an einem Gitterstab zerrte. Kowalczyk half ihm dabei, während er die Schwarze Madonna von Tschenstochau anflehte, ihnen beizustehen.
    »Sie rührt sich!«, schrie Lore auf, als die Männer die Eisenstange aus ihrer Verankerung rissen. Zu mehr kam sie nicht, denn Fridolin fasste sie bei der Taille, hob sie hoch und stopfte sie wie einen Sack durch die Öffnung. Eine Sekunde später fiel sie in die Tiefe, wurde von einem halben Dutzend Armen aufgefangen und fand sich auf sicherem Boden wieder.
    Sie stürzte zu ihren Kindern und zog diese an sich. Dann starrte sie mit tränenden Augen zum Fenster hoch. Dort schoben Fridolin und sein Kammerdiener eben Fräulein Agathe zwischen den Gitterstäben hindurch. Die junge Frau kreischte und wollte sich am Fenster festhalten, weil sie Angst vor der Tiefe hatte. Nele hieb ihr jedoch auf die Finger, und dann ging es ganz schnell. Agathe wurde aufgefangen und von einer Magd beiseitegeführt. Unterdessen schlüpfte Lores Zofe selbst durch den Zwischenraum zwischen den Gitterstäben und ließ sich fallen.
    Nun waren nur noch Fridolin und Kowalczyk oben. Der Kammerdiener wies auf seinen Herrn. »Sie sind schlanker Mann, Herr Hauptmann. Vielleicht Sie schaffen!«
    Fridolin schüttelte den Kopf. »Ich gehe nicht ohne Sie. Kommen Sie, wir werden doch noch einen Gitterstab ausreißen können!« Beide packten zu, und für Augenblicke übertönte ihr Stöhnen sogar das Prasseln des Feuers. Fridolin wurde schwindlig, und er spürte, wie er die Besinnung verlor. Kowalczyk entging das nicht, und er zerrte unter wildem Gebrüll noch ein letztes Mal an dem Gitterstab, bis er sich tatsächlich löste.
    Hinter ihm brannte die Tür, und die ersten Flammen
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