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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen
Autoren: Iny Lorentz
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züngelten bereits in die Kammer. Kowalczyk packte den bewusstlosen Fridolin, wuchtete ihn hoch und schob ihn durch das Fenster ins Freie. Er hatte nicht mehr die Zeit zu schauen, ob sein Herr heil unten ankam, denn das Feuer trieb ihn vor sich her. Obwohl er nicht mehr der Jüngste war, schwang er sich hoch, steckte die Beine ins Freie und hörte die Leute rufen. Die Flammen schossen nun auf das offene Fenster zu und versengten ihm die Haare. Zugleich schien die Welt sich um ihn zu drehen. Mit einem letzten Ruck stieß er sich ab und stürzte in tiefe Schwärze.

X.
    L ore hatte dem Geschehen zuerst mit Entsetzen und dann mit neu erwachender Hoffnung zugesehen. Jetzt reichte sie Wolfi und Doro an ihre Zofe und das Kindermädchen weiter und eilte zu Fridolin, den die Instleute ein ganzes Stück vom Haus entfernt auf den Boden gelegt hatten. Eine Fackel beleuchtete sein bleiches Gesicht, und für Augenblicke glaubte Lore, er sei tot. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Dann aber bewegte er die Lippen, und sie glaubte ihren Namen zu hören.
    »Fridolin, dem Himmel sei Dank, du lebst!« Sie setzte sich zu ihm und nahm seinen Kopf in den Schoß. Die Angst wollte jedoch noch immer nicht weichen, daher sah sie sich nach jemand um, der ihr helfen konnte. »Mein Mann braucht dringend einen Arzt!«
    Hannes, der für einen Augenblick rußgeschwärzt und mit Brandflecken auf der Kleidung neben ihr auftauchte, versuchte, beruhigend zu lächeln. »Ich habe einen Jungen zu Pferd losgeschickt, doch es wird dauern, bis er Heiligenbeil erreichen wird.«
    »Hoffentlich kommt der Arzt nicht zu spät!« Lore bekreuzigte sich und blickte dann auf das Herrenhaus, dessen sämtliche Flügel lichterloh brannten. »Gibt es weitere Opfer?«
    Ein Schatten trat auf Hannes’ Gesicht. »Ursel ist nicht mehr herausgekommen. Die Leute sagen, die Türen waren alle verschlossen. Sie haben sie noch schreien gehört. Es muss schrecklich gewesen sein.«
    »Unser Herr im Himmel sei ihrer Seele gnädig. Aber was ist mit Malwine von Trettin?«
    »Die hat seit dem letzten Abend keiner mehr gesehen«, berichtete Hannes.
    »Sie hat das Feuer gelegt. Da bin ich mir ganz sicher! Es ist tragisch, dass die Magd ihr Opfer wurde.«
    Hannes konnte nicht mehr antworten, denn da tauchte eine uralte, gekrümmt gehende Frau auf, deren Gesicht einem Totenschädel glich. Mit zufriedener Miene wies sie auf das brennende Haus. Und doch klang ihre Stimme bedauernd. »Ursel hatte kein Glück. Im Frühjahr hat sie sich beim Brand der Scheune das Bein gebrochen. Das hätte sie als Zeichen ansehen und Trettin verlassen sollen. So aber wurde auch sie vom Verhängnis dieser Familie erfasst.«
    Die Alte kam Lore bekannt vor, dennoch wusste sie sie nicht einzuordnen.
    »Die da drinnen hat das Feuer gelegt!«, fuhr die Frau fort.
    »Ja, ich bin sicher, dass es Malwine gewesen ist!« Lore atmete tief durch und blickte erneut zum Herrenhaus hinüber. Dort war nichts mehr zu retten. Zwar hatten sich inzwischen die Wehren aus Elchberg und Bladiau eingefunden, doch die Feuerwehrleute begnügten sich damit, die umliegenden Gebäude vor dem Funkenflug zu schützen.
    »Ich spüre, dass sie noch im Haus ist«, fuhr die Alte fort.
    Jetzt kam Lore eine Erinnerung. »Du bist Miene, nicht wahr?«
    Die Greisin nickte. »Ich habe damals am Grab deines Großvaters geschworen, dass ich dabei sein will, wenn Ottokars Sippschaft zugrunde geht. Der Himmel hat es mir gegönnt! Jetzt kann ich beruhigt in die Grube fahren. Dir, Lore Huppach, wünsche ich alles Glück der Welt. Halte nicht fest an Trettin, denn ich sehe in der Ferne ein Feuer, das noch weitaus mehr verzehren wird als nur dieses eine Gut!« Nach dieser Mahnung drehte die Alte sich um und verschwand in der Dunkelheit.
    Lore sah ihr einige Augenblicke nach, doch dann forderte Fridolin ihre Aufmerksamkeit. Er kam hustend und würgend zu sich und starrte sie verwundert an.
    »Da ich dich sehe, muss ich wohl leben, denn wir haben dich früh genug aus dem Fenster geworfen.«
    »Natürlich lebst du!«, rief Lore aus.
    »Und die anderen? Was ist mit Kowalczyk?«
    »Er ist ebenfalls aus dem Haus gekommen. Wie es ihm geht, weiß ich jedoch nicht, da ich sofort zu dir gekommen bin.«
    Fridolin versuchte sich zu erheben, sank aber kraftlos zurück und hustete sich schier die Lunge aus dem Leib. »Mein Inneres fühlt sich wie geräuchert an«, stöhnte er, als die Krämpfe nachgelassen hatten, und fasste dann Lores Hand.
    »Sieh nach Kowalczyk! Er
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