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Juli, Die Viererkette

Juli, Die Viererkette

Titel: Juli, Die Viererkette
Autoren: Joachim Masannek
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alle anderen Wilden Fußballkerle dort, wo er hingehörte: beim Training im Teufelstopf .
    Ächzend und stöhnend ging der Dicke Michi jetzt vor mir in die Knie, und seine Laseraugen durchleuchteten mich bis in den hintersten Winkel meiner kleinen Seele hinein.
    „Was machen wir bloß mit dir?“, hauchte er mit einem Mitleid, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Was machen wir bloß?“
    „I-i-ich weiß n-nicht!“, stammelte ich. „Aber be-bevor ich zu g-große Umstände mache, kann ich ja wieder verschwinden.“
    Blitzschnell suchte ich meine Knochen zusammen und wollte mich gerade erheben, als eine der Radkappenhände des Dicken Michi den Himmel verdunkelte und mich wie der Deckel eines gigantischen Waffeleisens auf die Ladefläche pappte.
    „Was machen wir bloß mit dir?“, sinnierte der Dicke Michi, als sei gar nichts passiert.
    „Wir sollten ihn quälen!“, schlug Krake vor, als würde er die anderen zum Kartenspielen einladen.
    „Ja! Das ist gut!“, grinste Sense.
    „Und dann renken wir ihm noch die Zehen aus! Versteht ihr? Dieser Zwerg ist ein Wilder Fußballkerl ! Und mit ausgerenkten Zehen kann man das Fußballspielen vergessen!“
    Kong, der monumentale Chinese, ließ jedes seiner Worte auf der Zunge zergehen. Dann faltete er die Hände und ließ seine Finger dermaßen knacken, dass meine Zehen wie die Köpfe von Schildkröten in meine Füße zurückflutschen wollten. Doch das war leider nicht möglich. Genauso, wie es für mich unmöglich war zu entkommen. Ich lag da, hatte die Radkappenhand des Dicken Michi wie den Deckel eines Waffeleisens auf meiner Brust und konnte mich, selbst wenn ich es gewollt hätte, nicht mehr bewegen.
    „Also, zuerst quälen und dann die Zehen ausrenken“, versuchte ich mich auf mein Schicksal zu konzentrieren. Nun, vielleicht hatte ich Glück und würde schon beim Quälen ohnmächtig werden. Aber verflixt! Ich war Juli „Huckleberry“ Fort Knox, die Viererkette in einer Person, und die andern waren pralle Idioten. Gegen die den Schwanz einzuziehen war so, als würden die Bayern gegen Buxtehude verlieren.
    „Einen Moment!“, rief ich deshalb entschlossen. „Denkt doch mal nach. Vielleicht gibt es ja ’ne bessere Lösung. Vielleicht könnt ihr mich ja für irgendwas brauchen.“
    Ich schaute sie so viel versprechend an, wie ich nur konnte. Das könnt ihr mir glauben. Und das war nicht ganz einfach.

    Ich hatte nämlich nicht die leiseste Ahnung davon, was ich ihnen gerade verkaufte.
    Verflixt! Und Krake, Sense und Kong, die dachten genau wie ich. Sie verzogen die Schnuten, als hätte man ihnen den Nachtisch verboten. So hatten sie sich auf meine Folter gefreut. Aber der Dicke Michi pfiff durch die Zähne.
    „Supp, supp, supp!“, zischte er. „Der Zwerg ist nicht dumm. Da gibt es doch tatsächlich was, das wir brauchen!“
    Oh, lieber Gott! In diesem Moment durchlief mich ein Glücksgefühl, das ich sonst nur zu Weihnachten kannte. Doch Glücksmomente haben einen ganz großen Nachteil. Sie sind zu kurz, besonders wenn der Dicke Michi vor einem sitzt.
    „Geld!“, raunte er jetzt. „Geld ist hier Mangelware! Ich glaube, das muss ich dir nicht genauer erklären!“
    Ich schaute zu den wüsten, heruntergekommenen Graffiti-Burgen hinauf und wusste sofort, was er meinte.
    „Aber in Grünwald,“, fuhr er fort, „da, wo du herkommst, gibt es davon genug, hab ich Recht?“
    Ich dachte an die piekfeine Alte Allee, die Villa von Markus’ Eltern und Rocces Schloss im Himmelstor 13. Kreuzkümmel und Hühnerkacke! Was hatte ich da bloß gemacht?
    Doch der Dicke Michi konnte mein Entsetzen nicht teilen.
    „Nun, und da, wo die Eltern reich sind, da fällt doch bestimmt auch ’n Batzen Taschengeld ab. Mhm, was meinst du? Und was hältst du davon, wenn wir den Geldfluss einfach nur ein bisschen umleiten würden, he? Ich mein, wenn das Taschengeld aus den Taschen deiner Freunde wieder heraus und zu uns fließen würde? Meinst du wirklich, das kriegst du hin?“
    Er schaute mich erwartungsvoll an, und ich schwöre euch, dass ich alles versuchte, um meine Empörung zu zeigen. Ich wollte aufgebracht widersprechen, ja, oder zumindest meinen Kopf schütteln. Doch meine Zehen waren stärker als ich.
    Da lächelte der Dicke Michi zufrieden.
    „Okay! Abgemacht! Morgen Abend ist Zahltag!“
    Mit diesen Worten ließ er mich los, und ich nutzte die Chance. Ich sprang auf, kramte den Inhalt meiner Taschen zusammen, der noch auf dem Führerhaus lag, und zuckte
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