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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Autoren: Lion Feuchtwanger
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geradezu: »Warum haben Sie mich eingeladen, über das Passahfest zu bleiben?« Der riesige Akawja saß ruhig da, die Fußknöchel gekreuzt, die rechte Hand lag lässig auf dem Schenkel, den linken Ellbogen stützte er auf die Lehne des Stuhls, den Kopf in die linke Hand. Besinnlich, aus seinen braunen, nicht großen Augen, beschaute er das hagere Gesicht des Josef. Dann, gleichmütig, in dieses Gesicht hinein antwortete er: »Ich wollte mir einmal einen Verräter aus der Nähe anschauen.«
      Josef, vor dieser unerwarteten Beschimpfung, fuhr zurück. Akawja gewahrte es mit Genugtuung. »Ich habe«, fuhr er fort, »meine Schüler von je Respekt vor dem Alter zu lehren gesucht. Mit allem Respekt also vor einem grauen Haupt wiederhole ich: Sie sind ein Verräter. Ich gebe zu, daß Sie viele Schäden, die Sie angerichtet haben, später wettmachten durch Verdienste. Heute sind Sie ein Verräter vor allem an sich selber und an Ihrer eigenen Seele.« Ungeschlacht saß Akawja da; die Gehaltenheit, mit der er zu sprechen suchte, betonte das Bäurische seiner Aussprache.
      »Was Sie sagen, mein Doktor Akawja«, erwiderte Josef, und ohne sich dessen bewußt zu werden, sprach er besonders höflich und mit dem Akzent des Mannes, der sich seinerzeit den großen Doktortitel von Jerusalem erworben hatte, »was Sie sagen, klingt allgemein. Wollen Sie es mir nicht im einzelnen erklären?«
      Akawja schnaufte, blies sich in die Hände, rieb sie, als machte er sich daran, eine schwere Last zu heben. Dann sagte er: »Jahve hat Sie bestimmt, für seine Sache, für Israel zu kämpfen. Sie aber haben die Arbeit, sowie sie anfing, Mühe und Mut zu verlangen, hingeschmissen. Sie haben sich in die Literatur verdrückt und kosmopolitisches Geschwätz gemacht. Das hat Sie auf die Dauer gelangweilt, und Sie sind zurück in den Kampf gegangen. Dann wurde es dort wieder mulmig, und Sie sind von neuem verduftet, zurück in Ihr bequemes und unverbindliches Geschreibe. Ein Mann aus dem Volke wie ich heißt das Verrat. Ich sage es, wie es ist, mit allem Respekt vor einem grauen Haupte.«
      »Sind Ihre Anwürfe nicht immer noch sehr allgemein?« entgegnete, noch höflicher, Josef. »Vielleicht aber auch liegt es nur an meinem alten Kopf, daß ich mir nichts Rechtes darunter denken kann.« – »Ich will versuchen«, erwiderte Akawja, »meine simple Meinung in Ihr gebildetes Aramäisch zu übersetzen. Sie sehen ganz genau, mein Doktor Josef, was die Stunde und der Tag erfordert. Aber Sie wollen es nicht sehen, Sie machen lieber die Augen zu und ›kämpfen‹ für ein Ideal, von dem Sie ganz genau wissen, daß es unerreichbar ist. Sie flüchten vor der Schwierigkeit des Erreichbaren in den bequemen Traum des nie erreichbaren Ideals. Sie verraten das Heute und Morgen um einer nebelhaften Zukunft willen. Sie verraten den Messias von Fleisch und Blut, der vielleicht schon unter uns herumgeht, um eines verblasenen, geistigen Messias willen. Sie verraten den jüdischen Staat einer kosmopolitischen Utopie zuliebe.« Schwerfällig kamen die gebildeten Worte aus dem klobigen Mann.
      »Was versprechen Sie sich eigentlich davon«, fragte sehr ruhig Josef, »daß Sie mir alle diese unfreundlichen Dinge sagen?
      Es imponierte dem Akawja, daß Josef so ruhig blieb, aber es ärgerte ihn auch. »Wir wissen nicht, was wir mit Ihnen anfangen sollen«, sagte er schließlich grimmig und strähnte sich den trübsilbernen Bart. »Welches von Ihren Büchern gilt? ›Der Jüdische Krieg‹? Die Universalgeschichte? Oder der ›Apion‹? Einem großen Schriftsteller«, grollte er, »müßte es doch möglich sein, sich so eindeutig auszudrücken, daß ihn das Volk versteht. Ich bin kein großer Schriftsteller«, schloß er plump, »aber mich versteht das Volk.«
      »Ich verstehe Sie nicht, Doktor Akawja«, antwortete liebenswürdig Josef, mit einem kleinen Ton auf dem »ich«. »Ich verstehe nicht, warum Sie den ›Eiferern des Tages‹ das Wort reden. Sie wissen, daß unter diesem Kaiser Trajan die Zahl der Legionen verstärkt ist, daß die östlichen Legionen aufgefüllt sind, daß die Militärstraßen, das Kriegsmaterial auf eine Höhe gebracht sind wie niemals zuvor. Wer einen Löwen sattelt, muß ihn zu reiten verstehen. Sie als Mann von Urteil wissen, daß Sie ihn nicht reiten können. Warum also reden Sie einem Aufstand das Wort? Der Tag wird kommen, gut! Aber es ist an Ihnen, zu bestimmen, wann er da ist. Und wenn Sie das Volk zur Unzeit aufrufen,
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