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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ruinieren Sie dann nicht den Tag und laden schwere Schuld auf sich?«
      »Der Gott, der mich den Löwen satteln hieß«, sagte Akawja, »wird mich auch lehren, ihn zu reiten,« Dann, daran denkend, daß das ein Satz für eine Volksversammlung war, aber nicht für den Schriftsteller Josef Ben Matthias, verstand er sich dazu, ihn tiefer in sein Inneres sehen zu lassen. »Nicht die Vernunft«, sagte er grimmig, »kann entscheiden, ob der Tag gekommen ist, nur der Instinkt kann es. Immer wieder wird die Vernunft zuschanden vor Gott. Ich sage das nicht etwa, weil ich der Vernunft und ihren Verlockungen aus dem Weg gegangen wäre. Ich kenne die Freuden der Logik und der Gelehrsamkeit. Ich habe die Schrift und die Lehre studiert mit allen Mitteln, und ich habe mich herumgeschlagen mit der Philosophie der Heiden. Aber alles, was ich gelernt habe, ist, daß einem, wenn es Ernst wird, doch nur das innere Wissen weiterhilft, der Glaube an den über alle Vernunft erhabenen Gott Israels, und nicht die Logik und nicht der Glaube an immer gleiche Ursachen und Wirkungen. Ich glaube an Moses und die Propheten und nicht an Trajan und seine Legionen. Ich will in Bereitschaft sein, wenn der Umschwung kommt, wenn der Tag kommt. Und der Tag kommt, das sage ich Ihnen! Gesetze und Bräuche sind gut und Gott wohlgefällig, aber sie bleiben Geschwätz, wenn sie nicht die Vorbereitung sind eines selbständigen Staates mit Polizei und Soldaten und souveräner Gerichtsbarkeit. Helfen kann uns nur die Wiedererrichtung des Tempels, des wirklichen aus Quadern und Gold, und die Wiedererrichtung des wirklichen Jerusalem, einer Stadt aus Stein und Holz und mit uneinnehmbaren Mauern. Sehen Sie, mein Doktor und Herr, die Massen begreifen das. Man muß sehr gelehrt sein in griechischer Weisheit, um es nicht zu begreifen.«
      Es wäre sinnlos gewesen, gegen den Fanatismus des Mannes mit Argumenten der Vernunft anzugehen. Nicht etwa, als ob Akawja der Vernunft ermangelt hätte. Im Gegenteil, seine Vernunft war wohl nicht geringer als seine eigene, des Josef. Aber des Akawja Glaube war eben stark genug, um über seine Vernunft obzusiegen.
      Diese Einsicht machte den Josef verstummen. Und jetzt gar fühlte er sich vollends klein. Denn jetzt erhob sich Akawja, riesig kam er auf ihn zu, den großen Kopf neigte er vertraulich zu ihm herunter, die kleinen Augen unter der breiten, gefurchten Stirn und den dicken, zottigen Augenbrauen schauten verschlagen und besessen zugleich sehr nahe in die seinen. Und, die derbe Stimme gedämpft, geheimnisvoll, verkündete er ihm: »Sie wissen, warum ich Gamaliel so kräftig unterstützte, als er das Hohelied aufnahm in die Reihe der Heiligen Schriften? Weil dieses Hohelied ein Gleichnis ist, ein Wechselgesang zwischen dem Bräutigam Gott und der Braut Israel. Wenn aber Jahve der Bräutigam ist, dann muß er werben um seine Braut Israel, dann muß er zahlen. Wie hart und bitter hat er den Jakob dienen lassen um seine Braut! Gott muß Israel erwerben, er muß sich sein Volk verdienen. Jahve hat Israel eine schwere Sendung auferlegt, Israel wird sie erfüllen. Aber auch Jahve muß den Vertrag erfüllen, er muß Israel seine Macht wiedergeben, seinen Staat. Und zwar nicht irgendwann, son dern in allernächster Zeit, jetzt. Sie, Josef Ben Matthias, wollen es Gott zu leicht machen. Sie wollen Israel verschleudern. Ich bin nicht so vornehm. Ich bin Bauer und mißtrauisch. Ich verlange Zahlung, wenn ich einen Teil meiner Leistung erfüllt habe. Ich verlange von Jahve – verstehen Sie mich recht, ich bitte nicht, ich verlange –, daß er Israel seinen Staat wiedergibt und seinen Tempel.«
      Josef erschrak vor der Wildheit, mit welcher der Mann seine anmaßende, verschlagene Forderung verkündete; er war von ihrem Recht offenbar bis ins Herz besessen. »Sie machen sich Jahve nach Ihrem Bilde«, sagte Josef, leise, betreten. »Ja«, gab Akawja zu, unumwunden, herausfordernd. »Warum soll ich mir Jahve nicht nach meinem Bilde machen, da er mich nach dem seinen gemacht hat?« Doch dann kehrte er aus dem Bereich der Mystik in die Realität zurück. »Aber haben Sie keine Angst!« tröstete er den Josef, er lächelte und sah trotz des gewaltigen, trübsilbernen Bartes auf einmal sehr jung aus. »Ich habe«, verriet er, »dem Großdoktor in die Hand versprochen, ich würde keine jüdische Aufstandsbewegung fördern, solange nicht Edom, solange nicht die Römer eine neue Untat begehen würden.« Sein Lächeln wurde listig und
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