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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Mensch, in jenem ersten Kriege gegen die Römer die Wehrverbände Galiläas befehligt hatte, schwebend, getragen. Ach, das noch einmal spüren, diese glühende Heiterkeit, mit der sie damals in die Schlacht gezogen sind! Dieses Verschmelzen einer in den andern! Dieses tausendfache Leben, strömend, weil es vielleicht noch heute zu Ende ist! Diese große Verzückung, gemischt aus Frommheit, Gewalttätigkeit, Angst, Selbstsicherheit und einer Lust ohne Grenzen!
      Auf seinem Lager von der einen Seite nach der andern warf er sich. Preßte die Zähne zusammen, beschimpfte sich. Werde nicht abermals verrückt auf deine letzten Tage, Josef! Wenn ein junger Mensch sich von derartigem Wahnsinn ergreifen läßt, das kann gottgewollt, kann erhaben sein. Aber wenn es einer wie er so macht, ein Greis, an einem solchen trunkenen Greise ist nichts Erhabenes, er ist lächerlich, nichts sonst.
      Er ist nicht lächerlich. Wenn nach soviel Jahren, wenn nach so vielen Erfahrungen die Stimme in ihm immer noch mit solcher Gewalt ruft, dann hat diese Stimme recht. Und wenn es die Stimme der Tollheit sein sollte, dann kommt diese Tollheit von Gott. Akawja hat recht. Wer wagt zu behaupten, daß Jahve identisch ist mit Logik und dürrer Vernunft? Hat aus den Propheten Vernunft gesprochen? Oder ein anderes? Wenn ihr, mit dreister Pedanterie, dieses andere Tollheit nennen wollt, dann sei sie gesegnet, diese Tollheit.
      Und mit Wollust stürzte er sich, der alte Josef, in die Tollheit. Ja, Johann von Gischala hatte recht, und Akawja hatte recht, und das Buch Judith und das Buch des Josef Ben Matthias gegen Apion, und nicht recht hatte der Großdoktor und die Universalgeschichte des Flavius Josephus.
      Nachdem er sich einmal entschlossen hatte, toll zu sein, brach er noch in der Nacht auf, um sich zu Johann von Gischala durchzuschlagen.
      Er fand einen Maultiertreiber, der ihn bis in die kleine Ortschaft Atabyr brachte, die auf der halben Höhe des gleichnamigen Berges lag. Weiter wagte sich der Mann nicht mit. Auch die Bewohner des kleinen Ortes rieten ab, weiter vorzudringen. Denn hier begann das Gebiet der militärischen Operationen.
      Josef also, nachdem er sich ein wenig Mundvorrat gekauft hatte, setzte seinen Weg allein fort. Er vermied die Heerstraße und wählte abseitige, verlorene Hirtenpfade in den Schluchten und Höhen des Gebirgs. Hier hatte er seinerzeit gekämpft, er hatte den Berg befestigt, er kannte die Gegend gut. Still, gleichmäßig, behutsam, in besonnener Eile schritt er.
      Ein strahlender Frühlingstag stieg auf. Der Winter hatte lange gedauert in diesem Jahr, noch lag Schnee auf den Bergen Obergaliläas, er speiste die Bäche, so daß sie voll und fröhlich prasselten. Die Luft war von beseligender Reinheit, das Entfernte war klar und nahe. Josef stieg tiefer hinein ins Bergland, er befahl seine Erinnerung herbei, sie gehorchte, jede Höhe,
    jedes Tal war ihm vertraut.
      Da war der überhängende Kamm. Von ihm aus mußte er den See erblicken können, seinen See, den See von Tiberias, den See Genezareth. Siehe, da glitzerte er schon herauf! Winzige Punkte bewegten sich auf seinem Spiegel; Josefs Erinnerung verwandelte sie in die braunroten Segel der Fischerboote.
      Er kletterte über den Kamm, suchte sich eine Bergfalte, die ihn decken könnte, fand sie. Hockte nieder. Jene Ruhelosigkeit, die ihn die ganze Zeit gequält, endlich wich sie von ihm. Er durfte rasten. Er setzte sich bequemer, aß von seinem Vorrat, Früchte, etwas Fleisch, Brot, trank von seinem Wein.
      Ein kleiner, fröhlicher Wind ging. Josef dehnte die Brust. In zauberisch heller Luft, ein wahrer Garten Gottes, lag das Land Galiläa vor ihm, unter ihm, fruchtbar, mannigfach mit seinen Tälern, Hügeln, Bergen, mit seinem See Genezareth, dem Flusse Jordan, der Meeresküste, mit seinen zweihundert Städten. Was Josef nicht sah, das ahnte er, das wußte seine Erinnerung, In sich ein trank er die Sicht. Rötlichgrau war das Gestein, saftig grün die Johannisbrotbäume, silbrig die Oliven, schwarz die Zypressen, braun die Erde. In der Ebene, winzig kleine Figürchen, hockten die Bauern auf dem Boden und rochen an dieser Erde nach dem Wetter, Schönes, reiches, buntes, fruchtbares Land. Jetzt im Frühjahr sind selbst seine Wüsten bedeckt von graugrün und violettem Geblüh.
      Aber man gönnt dem Land seine Fruchtbarkeit nicht. Vielleicht ist es zu fruchtbar. Vielleicht hat doch der frühere Johann von Gischala recht, und es ist
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