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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Autoren: Lion Feuchtwanger
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daß Gamaliel schon längere Weile zu sprechen aufgehört hatte. Er suchte Gamaliels Auge, mit Scheu. Der erwiderte seinen Blick, und Josef erkannte, daß der andere genau wußte, was in ihm vorging. »Ich danke Ihnen«, sagte Josef.
      »Wenn Cäsarea die Kopfsteuer verfügt«, fuhr Gamaliel fort, als wäre die stumme Zwiesprache nicht gewesen, »dann ist Akawja des Versprechens entbunden, das er mir gegeben hat. Trotzdem ist es möglich, daß er sich ruhig halten wird. Er weiß so gut wie ich, daß die ›Untat‹ Cäsareas nichts ändert an dem Kräfteverhältnis Roms und Judäas. Er hat einen starken Verstand. Es bleibt die Frage, ob dieser starke Verstand aufkommt gegen sein noch stärkeres Herz.« Er sah trübe vor sich hin. Bisher war er dem Josef immer als ein junger Mann erschienen. Jetzt sah der alte Josef, daß auch Gamaliel nicht jung geblieben war. Sein rotbrauner Bart war nun beinahe völlig grau, die gewölbten Augen matt, Körper und Antlitz hatten ihre imponierende Straffheit verloren.
      Unvermutet indes richtete sich der Großdoktor hoch und war wieder ganz der frühere. »Ich möchte Sie um einen Dienst bitten, mein Josef«, sagte er herzlich und doch im Tone des Befehlsgewohnten. »Gehen Sie nach dem Norden! Sprechen Sie nochmals mit Johann von Gischala! Wenn es mir nicht glücken sollte, den Akawja zurückzuhalten, vielleicht glückt es Ihnen, den Johann zu bändigen, so daß wenigstens der Norden ruhig bleibt. Sie sind befreundet mit ihm, er hört auf Sie. Er hat einen so klaren Verstand. Reden Sie ihm zu, daß er ihn gebraucht!«
      »Gut«, erwiderte Josef. »Ich werde nochmals nach Gischala gehen.«

    Seit dem Aufbruch von seinem Gut war Josef rastlos gewesen. Jetzt wurde er noch unruhiger. In Eile brach er auf, und er reiste in immer größerer Eile. Dabei wählte er nicht den kürzesten Weg, sondern reiste kreuz und quer. So durchzog er noch einmal einen großen Teil des Landes Judäa und des Landes Samaria, in Hast, als hätte er etwas zu versäumen, als könnte er, was er jetzt nicht noch einmal sah und in sich aufnahm, niemals wieder sehen.
      In Samaria dann erfuhr er, der Gouverneur habe durch ein Edikt die Wiedereinführung der Kopfsteuer für die jüdischen Einwohner der Provinz verfügt. Und schon den Tag darauf, in dem kleinen Ort Esdraela, erzählte man, es sei in Obergaliläa zu schweren Unruhen gekommen. Genaues konnte man ihm nicht mitteilen. So viel aber war gewiß, daß in mehreren galiläischen Ortschaften mit gemischter Bevölkerung die Juden über die Römer, Griechen und Syrer hergefallen waren. Schon seien indes, hieß es, römische Streitkräfte aus Cäsarea abgegangen, um die Ordnung wiederherzustellen. Führer des Aufstands, wollte man gehört haben, sei Johann von Gischala.
      Nach alledem war Josefs Sendung offenbar durch die Ereignisse erledigt, und er hatte im Norden nichts mehr zu suchen. Das klügste war, schleunigst nach Be’er Simlai zurückzukehren und dort nach dem Rechten zu sehen, nach Mara, nach Daniel.
      Aber als er sich das klarmachte, wußte er bereits, daß er’s nicht tun werde. Dem Schreck, mit dem er die Meldung gehört hatte, war vom ersten Augenblick an eine große Süße beigemischt gewesen. Mit Stolz und Beschämung nahm er wahr, daß er sich leicht fühlte, frei, glücklich. Er erkannte, daß er die ganzen letzten Jahre in Judäa nur auf diesen Aufstand gewartet hatte. Jetzt hatten diese Jahre in Judäa Sinn und Bestätigung bekommen. Denn wenn er die Nachricht von dem Aufstand in Rom erhalten hätte, verspätet, fern von den Geschehnissen, dann hätte er das wichtigste Ereignis seines Lebens versäumt.
      Wahnsinn! Es ist blanker Wahnsinn, in den Aufstand eingreifen zu wollen. Es wird anfänglich einige Siege geben, voll von Begeisterung und Seligkeit; dann wird eine harte, endgültige Niederlage folgen. Die Römer werden erreichen, was sie wollen, sie werden alles, was unter den Juden noch da ist an Mannhaftigkeit, Jugend, Kampfesmut, blutig zertrampeln. Es ist Verbrechen und Narrheit, dabei mitzuwirken.
      So, mit Aufbietung all seiner Vernunft, konnte er den Rausch verjagen, der bei der Meldung von der Erhebung über ihn gekommen war. Doch nur auf Augenblicke.
      In der Nacht gar, auf dem dürftigen Lager, das der kleine Ort ihm bot, bekam der Rausch volle Gewalt über ihn, es gab kein Mittel mehr dagegen, und wollüstig überließ er sich dem gefährlichen Glück. Er fühlte sich wie damals, als er, ein junger
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