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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Autoren: Lion Feuchtwanger
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schließlich nur mehr zu fünft waren, Akawja, Josef, drei andere.
      Die Kunst Akawjas bestand darin, daß er, mittels einer bis ins Letzte verästelten Methodik, in den Worten der Schrift eine Deutung fand für alles, was auf Erden geschah. In der Schrift war alles vorausgesehen, alles, was war und was jeweils sein wird, und wer nur die Schrift richtig auszulegen verstand, besaß einen Schlüssel, den Sinn allen Weltgeschehens zu erschließen. Die Ereignisse damals in Ägypten und die von heute unter dem Kaiser Trajan, das war ein und dasselbe, auch ihr Ausgang wird derselbe sein, und es hatte seinen guten Grund, wenn man gerade heuer die Passahfeier mit so zornigem Jubel beging. Die heilig-wilde Berauschtheit von heute abend, das war nichts als eine vorweggenommene grimmige Siegesfeier über Rom.
      Jetzt wandte sich Akawja ohne weiteres an Josef selber, ihn herausfordernd. Moses sowohl wie der Prophet Elia hatten ohne langes Federlesen Gott einfach gezwungen, ihnen zu Willen zu sein und Wunder zu tun. Und so wollte es Gott. Er wollte, daß man ihn herbeizwang. Er erwartete, daß man ihm half. Wer da erklärte, die Zeit sei noch nicht gekommen, für den kam sie nie. Vielmehr mußte man glauben, fanatisch glauben, daß der Messias, ein Messias in Fleisch und Blut, morgen kommen werde. Diese Nacht wird er kommen, der Prophet Elia, der Vorläufer, und seinen Becher leeren. Wer das glaubte, wer so fest daran glaubte wie an das Einmaleins, der zwang Gott, den Messias morgen zu senden.
      Akawja liebte es, sich volkstümlich zu geben. Ein riesengroßer Bauer, saß er vor Josef, fest und seßhaft in seinem Glauben, derbe, vulgäre Wendungen ließ er in seine Rede einfließen, und grob zuletzt fiel er den Josef an: »Wenn alle es so machten wie Sie, wenn alle sich darauf beschränkten, die Hände in den Schoß zu legen und Geduld zu zeigen, dann können wir warten, bis uns Gras aus dem Mund wächst, und der Messias ist immer noch nicht da.« Höhnisch und drohend kollerten ihm die Worte von den Lippen, heftig strich er sich die Krumen des ungesäuerten Brotes aus dem trübsilbernen Bart. Josef saß vor ihm, ein feiner, schmächtiger Aristokrat; aber er war nicht gekränkt, er wollte sich den großen Abend nicht verderben. Er verschob, was er zu sagen hatte, auf später und tauchte ganz unter in der Lust, sich anstecken zu lassen von dem fanatischen Glauben der andern.
      Denn immer hemmungsloser gaben sich diese ihren schönen Träumen hin. Aber waren es nur Träume? Nein, es war viel mehr, es waren Pläne, weitgediehene. Da sah etwa, als man von den nächsten sieben Wochen sprach, den Wochen der Zählung, den Wochen zwischen Passah- und Pfingstfest, da sah also der Jüngste der Tischrunde, der junge, schöne Doktor Eleasar, mit seligem Blick um sich und fragte: »Wo, meine Älteren, wo, meine Doktoren und Freunde, werden wir dieses Pfingstfest begehen?« Doktor Tarfon, mit halber Kopfwendung gegen Josef, warf dem unvorsichtigen Sprecher einen verweisenden Blick zu. Akawja aber, als hätte er nicht soeben erst selber den Josef grob angefallen, sagte: »Habt ihr etwa Angst, meine Freunde, vor dem Manne, der den ›Apion‹ geschrieben hat?«
      Josef erschrak, als er die Worte des jungen Doktors Eleasar hörte; sein Verstand sagte ihm, daß er sich empören müsse gegen das tollkühne, aussichtslose Unternehmen, das diese Männer offenbar schon für die nächsten Wochen planten. Doch seinem Schreck war viel Süße beigemischt, und als er gar die Worte des Vertrauens vernahm aus dem Munde des Akawja, da glänzte ein großes Glück in ihm auf. Immer lebendiger stiegen in dem beinahe Siebzigjährigen die alten Lockungen hoch, er schwamm mit in der gottseligen Trunkenheit der andern. Auch er war jetzt ganz sicher, daß der Prophet Elia noch in dieser Nacht seinen Becher Weines leeren werde.
      Auskostete er sie wie noch niemals, diese Nacht der Obhut, da der Herr sein Volk Israel in seinen besondern Schutz nimmt. Mit den andern lauschte er gläubig den wilden und weisen Reden des plumpen Zauberers Akawja, mit den andern erging er sich in wüsten und großartigen Phantasien vom Untergang der Feinde und von der Errichtung des neuen Jerusalem.
      So, mit den andern, saß er die ganze Nacht. Und mit den andern bedauerte er es, als die Schüler kamen und die Doktoren daran erinnerten, daß die Zeit des Gebetes gekommen sei. Denn der Morgen war da.

    Zwei Tage später, als er mit ihm allein war, fragte Josef den Akawja
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