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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut
Autoren: Klaus Wanninger
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1. Kapitel
    Einen Tag vor dem Sommeranfang traf er die letzten Vorbereitungen. Es war soweit. Endgültig. Die Zeit war reif.
    Lange genug hatte er alles durchdacht. Es gab keine andere Möglichkeit. Er musste sich von dem Druck befreien, wollte er selbst überleben. Sie hatten es nicht anders verdient. Jetzt, nach fast zehn Jahren Zugehörigkeit zu ihrem Einfluss-, oder wie er es empfand, Machtbereich, war er sich absolut sicher: Es gab Menschen, die keine Berechtigung hatten, noch länger zu existieren. Schmarotzer, die so viel Elend angerichtet hatten, über so viele Leichen gegangen waren, dass man sie gar nicht mehr alle aufzählen konnte. Niedergetrampelt, zu Boden geworfen auf ihrem unaufhaltsamen Weg nach oben.
    Er war eine dieser Leichen. Eine der wenigen, die noch lebten. Fragte sich nur, wie?
    Schlaflose Nächte, Albträume voller Angst und Schrecken, schweißgebadetes Erwachen mitten im Dunkeln. Ohnmächtiges, verzweifeltes Warten auf den tröstenden, besänftigenden Schlummer. Jeden Morgen die unwilligen Reaktionen des Körpers, nervöse Organe, verspannte Muskulatur, gereizte Nervenstränge; Angst in allen Gliedern vor dem, was wieder über ihm hereinbrechen würde. Willkür, Häme, niederträchtige Winkelzüge. Tag für Tag.
    Es gab keine Alternative. Sie hatten genug Unheil angerichtet. Er durfte nicht länger den Fußabtreter spielen, der Morgen für Morgen nur willfährig darauf wartete, dass sie sich seiner wieder gnädigst bedienten.
    Der einzige Ausweg lag ihm klar vor Augen: Er musste sich von dem Übel befreien, das ihm jede Überlebensmöglichkeit raubte. Die Chancen für seine Gegenwehr waren günstig wie nie.
    Wochenlang hatte er sich die Sache überlegt, in den schlaflosen Nächten über Stunden hinweg darüber nachgedacht. Je länger er sich damit beschäftigt hatte, desto klarer war ihm der Weg geworden, auf dem er die Lösung all seiner Probleme bewerkstelligen konnte. Wenn dir etwas Schmerzen bereitet, dann ist dir auf lange Sicht nicht damit gedient, die Schmerzen zu betäuben. Du musst das Übel beseitigen, das ist deine einzige Chance.
    Jetzt lag die Lösung all seiner Schwierigkeiten endlich offen vor ihm. Es gab nur diese Wahl. Alles andere bedeutete eine ins Unendliche reichende Verlängerung des alltäglichen Terrors.
    Er musste die Gelegenheit, die sich ihm in den nächsten Tagen so einzigartig bot, beim Schopf packen und für eine endgültige Bereinigung der Probleme sorgen.
    Kein Mensch wusste von seinen akribisch ausgeführten Vorbereitungen. Niemand, auch nicht die am meisten Betroffenen ahnten von den Aktionen, die jetzt anliefen. Keiner wusste, wie sehr der Hass in ihm kochte. Jahrelang hatte er sich alles bieten lassen, alle Willkürakte und Erniedrigungen wehrlos ertragen. Niemand hatte mitbekommen, wie er sich gegen die Schläge, das Niedertrampeln immunisiert, im jahrelangen Leiden einen Abwehrpanzer aufgebaut hatte, der ihn jetzt endlich zur Gegenwehr befähigte. Die Wunden hatten seine Seele verätzt, den Menschen, der er einst war, verändert. Jetzt trieb ihn die Wut, einfach nur die Wut. Er war ein Pulverfass, an dem die Lunte bereits glimmte.
    Welche Waffen er einsetzen würde, ob die Pistole oder den kleinen unscheinbaren Hammer, würde die Situation ergeben. Er hatte ihre Anwendung in den Filmen lange genug studiert. Kurz und schmerzlos sollten seine Attacken erfolgen. Einer nach dem anderen würde ihnen zum Opfer fallen.
    Es war nur noch eine Frage von wenigen Tagen.

2. Kapitel
    Ende Juni befand sich die ganze Stadt im Ausnahmezustand. Straßen und Gassen im Zentrum waren für den Verkehr gesperrt, Zufahrten und Wege abgeriegelt, Läden und Erdgeschosswohnungen mit dicken Kartons und massiven Brettern verbarrikadiert. Arbeiter und Angestellte des Ordnungsamtes schoben seit Tagen Überstunden, die lokalen Polizeibeamten fügten sich in die lange zuvor angeordnete Urlaubssperre. Feuerwehr und Rettungsdienste standen in Alarmbereitschaft, die Notaufnahme des Kreiskrankenhauses war mit dem gesamten verfügbaren Personal besetzt, gleich vier Ärzte der Stadt hielten sich bereit. Schwerstarbeit für alle Einsatzretter der Umgebung war angesagt. Backnang, die kleine Stadt am nördlichen Rand des Stuttgarter Großraumes feierte wieder ihr Straßenfest.
    Fleißige Hände hatten dafür gesorgt, den gesamten Bereich des an einem steilen Hang oberhalb der Murr gelegenen Zentrums innerhalb weniger Tage in einen einzigen großen Biergarten zu verwandeln. Jeder Quadratmeter
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