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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut
Autoren: Klaus Wanninger
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geschicktes Geschäftsgebaren. Seine Firma, vom Umsatz und den Arbeitsplätzen her die größte im weiten Umkreis, glänzte mit astreinen Bilanzen. Wo immer neue Baugebiete projektiert, erschlossen und realisiert wurden, war er von Anfang an dabei. Seine politischen Freunde, ausgewählt nach ihrem Einfluss, sorgten für rechtzeitige Informationen. Albrecht Schwarz hatte also allen Grund, stolz auf das Erreichte zu sein. Der Ärger mit seinem von der einfachen Hütte zur protzigen Villa erweiterten Wochenendhaus blieb eine sekundäre Kapriole. Ständige Kabbeleien mit den zuständigen Behörden und mehrere Auseinandersetzungen vor Gericht folgten, bis Schwarz schließlich nachgeben und den Bau wieder auf sein ursprüngliches Maß zurücknehmen musste. Alles nur, weil ein Zeitungsschmierfink keine Ruhe gegeben und immer neue Attacken gegen ihn geritten hatte.
    Voller Ärger angesichts der Erinnerung an den Journalisten nahm Schwarz den Bierkrug, setzte ihn an den Mund und leerte ihn unter dem Beifall der Tischnachbarn bis auf den letzten Tropfen. »Ihr hent wohl denkt, der packt's net, wie?«, tönte er, spürte den Druck auf seine Blase. Der Drang im Unterleib ließ sich nicht länger unterdrücken.
    Schwarz schob sich vom Tisch weg, bewegte sich schwerfällig durch die eng stehenden, dicht besetzten Bankreihen.
    Überall intensive Gespräche, laute Stimmen, Gelächter. Er überhörte die Kommentare, die hinter ihm her gerufen wurden, steuerte auf die abseits, am Rand des Stiftshofes aufgestellten Toiletten zu. Eine Handvoll Frauen und Männer standen wartend vor den Containern.
    »Haschs eilig, Albrecht?«, begrüßte ihn ein grauhaariger Mittfünfziger.
    Schwarz fühlte sich absolut unwohl, winkte ab. Er hatte weder Lust noch Zeit, sich auf ein Gespräch einzulassen oder gar darauf zu warten, bis er an der Reihe wäre. Dringende Probleme auf die lange Bank zu schieben, war er nicht gewöhnt. Ohne die Leute vor den Toiletten länger zu beachten, bewegte sich der Bauunternehmer quer über den Stiftshof, mitten durch die dicht gedrängte Menschenmenge.
    Schwarz spürte, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, kämpfte sich an den letzten Bänken vorbei. Er wusste genau, wo er sein dringendes Bedürfnis erledigen, sich von dem immer heftiger werdenden Druck befreien konnte. Hinter dem mächtigen Gebäude des Amtsgerichtes führte eine steile Treppe auf einen schmalen, unbeleuchteten Waldweg den Burghang hinunter zur Murr.
    Er blickte nicht nach rechts, nicht nach links, erreichte die Stufen in allerletzter Sekunde, schaffte es gerade noch, dem grellen Licht der Festbeleuchtung auszuweichen. Er blieb mitten auf der Treppe stehen, nestelte schwerfällig an seinem Reißverschluss, öffnete den Schlitz. Jeder Augenblick zählte.
    Als er endlich alles in die richtige Position gebracht hatte, schoss der Strahl in weitem Bogen ins schwach beleuchtete Unterholz des Waldes. Erleichtert schloss der Bauunternehmer die Augen, atmete tief durch. Mehrere Gläser verdauten Gerstensaftes verschwanden im Dunkel der Nacht. Langsam ließen die Schmerzen nach, entspannte sich die Muskulatur.
    Als Albrecht Schwarz die Augen wieder öffnete, sah er im Dämmerlicht die Umrisse eines menschlichen Körpers zu seinen Füßen liegen. Genau an der Stelle, wo sein Strahl auf den Boden traf. Die Person bewegte sich nicht, unternahm keinen Versuch, der übelriechenden Flüssigkeit auszuweichen. Sie lag einfach leblos am Fuß der Treppe, die Ausscheidungen mitten im grauenhaft entstellten Gesicht.

3. Kapitel
    Die Fahrbahn sah aus wie nach einem Bombenangriff. Blechteile kreuz und quer über den Asphalt verstreut, Ansammlungen von Glassplittern, die zerfetzten Überreste eines Ledersitzes, zwei verbogene Reifen, Stoffteile, drei Schuhe, ein Geldbeutel, mehrere Münzen, eine Kreditkarte, dazu das vollkommen demolierte, in der Mitte auseinandergerissene Wrack eines Fahrzeugs. Nur noch andeutungsweise war zu erkennen, dass es sich um einen Mercedes handelte. Gleißende Scheinwerfer tauchten die Unfallstelle in ein grelles, unwirkliches Licht.
    Das ganze Gelände war weiträumig abgesperrt worden, Polizeibeamte in Uniform bemühten sich, den Ansturm der Gaffer in Grenzen zu halten. Im Abstand von etwa hundert Metern hatten sie mit ihren Dienstfahrzeugen die Fahrbahn blockiert, zusätzlich Warnblinklampen aufgestellt. Auf den beiden Spuren der Gegenrichtung stauten sich die Autos. Neugier prägte die Gesichter, weit aufgerissene Augen verfolgten die
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