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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut
Autoren: Klaus Wanninger
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Körper schmerzte. Er fühlte sich ausgepowert, müde, erschöpft. »Der Schuss«, sagte er, »irgendjemand muss ihn doch gehört haben.«
    »Bei dem Lärm?« Rössle schüttelte den Kopf. »Alle paar Meter dudelt eine Kapelle, die Leute schreien um die Wette, einer lauter als der andere und die meisten sind halb besoffen. Do könnt mr halb Sindelfinge totschlage, koi Mensch dät was merke!«
    Braig hörte das Geschrei der Festgäste und die Klänge der Musikgruppen von oben und aus dem Tal, wusste, dass der Kollege recht hatte. Es war wirklich unwahrscheinlich. Und wenn schon, was nutzte es ihm in seinen Ermittlungen?
    Von Interesse waren einzig und allein Personen, die sich vor etwa eineinhalb Stunden – falls der Arzt mit seinen Überlegungen zum Todeszeitpunkt des Ermordeten richtig lag – über die Treppe in den Wald begeben hatten. Sie mussten so schnell wie möglich die Festbesucher, die in der Nähe der Stufen saßen, befragen. Falls der Täter nicht von unten aus dem Tal oder auf einem anderen Weg gekommen war.
    Er drehte sich um, folgte dem Abhang mit seinem Blick, soweit er etwas erkennen konnte. Der Berg schien überall steil abzufallen. »Ist der Weg die einzige Möglichkeit, hierher zu kommen?«
    Polizeiobermeister Busch stieg die Stufen der Treppe herunter, an deren oberen Ende er die neugierige Menge ermahnt und zurückgedrängt hatte, nahm seine Jacke vom Geländer. »Die einzige sicher nicht«, antwortete er, »aber alles andere ist verdammt gefährlich. Vor allem bei Nacht.« Er wies nach rechts in den Wald. »Wenn Sie es riskieren wollen, dem Steilhang zu folgen: einige hundert Meter weiter endet er an einer Straße. Und unterwegs könnten Sie über Grenzmauern klettern. Aber ohne mich. Das kann Hals und Kragen kosten.«
    »Dann müssen wir die Leute fragen. Es ist unsere einzige Chance.« Braig erklärte dem Kollegen den Sachverhalt, bat ihn um Mithilfe. »Personen, die die Treppe benutzten, vor eineinhalb Stunden oder noch früher. Wer hat eigentlich den Fund gemeldet?«
    »Der Bauunternehmer Schwarz, aber der ist sturzbesoffen. Sollten wir uns nicht auch nach Herrn Greiling erkundigen? Vielleicht hat ihn jemand beobachtet, als er zur Treppe lief? Wenn er nicht allein unterwegs war ...«
    Braig erkannte blitzschnell, was die Überlegung des Polizeibeamten bedeutete. Sollte der Mörder es riskiert haben, gemeinsam mit seinem Opfer durch die Menschenmenge zu laufen? Ganz bestimmt nicht, wenn es sich um einen geplanten Mord handelte. Das schien Braig vollkommen unwahrscheinlich. Was aber, wenn die beiden oder die Gruppe, falls es sich um mehrere Täter handelte, mit völlig anderen Vorsätzen hierher gekommen und erst an Ort und Stelle in Streit geraten waren?
    Er durfte den Vorschlag des Kollegen nicht außer Acht lassen, soviel war ihm klar. »Ihre Idee ist sehr gut«, lobte er Busch, »vielleicht haben wir Glück.«
    Er zog sich seine Handschuhe über, lief zu dem Päckchen, in dem sie die Geldbörse und die Ausweise des Ermordeten verwahrt hatten, suchte nach den Visitenkarten Greilings, verteilte sie. »Wir müssen uns beeilen. Hoffentlich finden wir noch ein paar Leute, die gegen zehn, halb elf in der Nähe der Treppe saßen.«
    Die Arbeit war noch mühsamer und unergiebiger, als er es sich vorgestellt hatte. Die Menschenmenge am oberen Ende der Treppe kämpfte mit von Neugier und Alkohol aufgeputschten Sinnen um eine Auskunft über das Geschehen am Abhang und die Identität des Toten. Aufgeregte Stimmen erbaten sich kreischend genauere Informationen, andere schrien sinnlose Verdächtigungen in die lärmerfüllte Nacht. Nur unter Einsatz ihrer letzten körperlichen Reserven gelang es den beiden Beamten, sich durch die Meute zu kämpfen.
    Als Braig und Busch endlich an den ersten Bankreihen angekommen waren, hatten sie Mühe, Gehör zu finden. Es gab nur noch ein Gesprächsthema, das Gerücht von dem Mord hatte sich wie ein Lauffeuer überall verbreitet. Jede Frage der Beamten wurde zuerst mit unzähligen Gegenfragen beantwortet. Bis der jeweilige Gesprächspartner die Ruhe fand, auf das Problem der Polizisten einzugehen, brauchte es Minuten.
    Kurz nach zwei Uhr hatten sie sämtliche Besucher des oberen Stiftshofes, die sie im Bereich zwischen Amtsgericht und Finanzamt antrafen, nach Greiling bzw. verdächtigen Personen befragt. Zwischendurch war der besorgte Oberbürgermeister der Stadt bei Braig vorstellig geworden und hatte sich seltsamerweise in ausgeprägt hessischem Dialekt nach dem
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