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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut
Autoren: Klaus Wanninger
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sie nach der Frau zu fragen, zumal ihm dann auf der Rückfahrt im Zug Barbara Sorg über den Weg gelaufen war.
    Barbara lebte als Studienrätin in Esslingen, unterrichtete an einem der dortigen Gymnasien, hatte mit einer ihrer Klassen einen Aufenthalt in einem Schullandheim nahe der Insel Sylt hinter sich. Erschöpft von mehreren Nächten ohne ausreichenden Schlaf, nach Nerven zermürbenden Diskussionen mit ihren Schülerinnen und Schülern, hatte sie sich für einige Minuten in den Speisewagen geflüchtet und war an Braigs Tisch gelandet. Wie es dazu kam, dass ihm die bisher unbekannte Frau trotz der Anwesenheit seiner Mutter binnen einer einzigen Stunde ihr Herz ausschüttete, hatte er bis heute nicht begriffen. War es die angenehme Atmosphäre in den weichen Polstern des Zuges, der hervorragende Salat, den ihnen die Kellnerin im Speisewagen servierte, die sonnige Landschaft, die an den Fenstern draußen vorbeiflog?
    Wie auch immer, Barbara Sorg hatte sich, wie sie ihm gestand, Hals über Kopf in ihn verliebt und betrachtete ihn inzwischen unverhohlen als den Rettungsanker, an dem sie sich aus ihrer weitgehend zerrütteten Ehe herauszuwinden gedachte.
    Steffen Braig war die Frau nicht unsympathisch, ganz im Gegenteil, seine Empfindungen für sie gingen weit über das normale Maß bloßer Sympathie hinaus, doch scheute er den entscheidenden Schritt, sich ganz an sie zu binden; primär deswegen, weil er nicht als der endgültige Zerstörer ihrer zwar nur noch auf dem Papier, doch immerhin offiziell noch existierenden Ehe auftreten wollte.
    Er erinnerte sich noch genau an seinen ersten Besuch in Barbaras Haus, vier Wochen, nachdem sie sich kennengelernt hatten und sie bereits mehrfach bei ihm in Stuttgart in seiner Wohnung in der Hermannstraße zu Gast gewesen war, an den aggressiven Blick und das besitzheischende Auftreten ihres Mannes, der trotz fortschreitender Zerrüttung der Beziehung ganz offensichtlich nicht bereit war, seine Frau kampflos ziehen zu lassen. Mochten vielen Zeitgenossen moralische Skrupel dieser Art unbekannt sein, die Furcht, er könne der Anlass zur endgültigen Auflösung einer bestehenden Ehe sein, hemmte Braig, sich vollkommen auf Barbara einzulassen.
    Seine Weigerung, diese innere Blockade zu überwinden, hatte ungeahnte Energien in ihr geweckt. In unzähligen Telefonaten hatte sie ihn bearbeitet, umschwärmt, becirct. Braig öffnete sich nur langsam, Stück für Stück, immer auch die Erinnerung an seine immerhin zwei Jahre währende Beziehung zu Gabriele Krauter, einer Landwirtin aus Leinfelden-Echterdingen, die er bei einer seiner schwierigsten Ermittlungen kennen gelernt hatte, im Hinterkopf. Gabriele Krauter war von vielen Seiten übel mitgespielt worden. Aber Steffen Braig, der Kriminalbeamte, hatte sich außerstande gesehen, mit dieser Frau zusammenzubleiben: sie hatte ihm zu viel aus ihrer Vergangenheit offenbart, das er gar nicht hätte wissen dürfen. Langsam aber sicher setzte sich in ihm die frustrierende Erkenntnis fest, zu einer langfristigen Beziehung zu einer Frau nicht fähig zu sein – warum auch immer.
    Barbara Sorg teilte diese Auffassung nicht, versuchte stattdessen, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. In immer neuen Anläufen legte sie ihm dar, wie wichtig, ja unverzichtbar er inzwischen für ihr Leben geworden sei, welche Qualen sie durchlitt, weil er sich immer noch nicht für sie entschieden habe. Braig fühlte sich von Woche zu Woche mehr zwischen ihrem Drängen und seinen Skrupeln hin- und hergerissen.
    Einzig ihrer beider starke berufliche Beanspruchung setzte den Forderungen Barbara Sorgs unüberwindbare Grenzen. Hielt sich seine Arbeitszeit im normalen Bereich, so wurde sie von Elternabenden, Korrekturen oder schulischen Exkursionen über das gewohnte Maß hinaus gefordert. Fand sie freie Zeit, steckte er in dringenden Recherchen.
    So hielten auch an diesem Morgen die laufenden Ermittlungen Braig davon ab, ein Treffen mit ihr zu vereinbaren. Stattdessen entschuldigte er sich bei ihr für seine berufliche Anspannung, beendete das Gespräch nach nicht einmal zwanzig Minuten und gönnte sich ein kurzes, bescheidenes Frühstück.
    Zwei der angeforderten Zeugen warteten bereits, als er wenige Minuten vor zwölf im Landeskriminalamt eintraf. Er bedankte sich für ihr Erscheinen, nahm sie dann wenig später, als auch die dritte Person, die sich an den blonden jungen Mann erinnerte, in seinem Büro aufgetaucht war, mit zu seinem Kollegen, der darauf spezialisiert war,
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