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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut
Autoren: Klaus Wanninger
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Braigs erstaunten Blick, mit dem er die Bilder musterte. »Häuser verkaufen ist sein Leben«, erklärte sie, bemerkte dann ihren Fehler, stockte. Den nächsten Satz formulierte sie in Vergangenheitsform. »Seine schönsten Angebote fotografierte er selbst.«
    Sie bot Braig Platz auf einem schweren Ledersofa an, setzte sich ihm gegenüber in einen Sessel. »Wenn Sie Kaffee möchten, meine Tochter ist in der Küche und bereitet ihn vor.«
    »Sie leben nicht allein?«, fragte er. Augenblicklich bemerkte er sein Ungeschick, versuchte, sich zu korrigieren. »Ich meine, Sie und Ihr Gatte?«
    »Unsere Kinder sind erwachsen und außer Haus«, unterbrach sie ihn, »aber meine Tochter kam heute Morgen sofort zu mir, als sie es hörte.«
    Eine Frau um die Dreißig trat ins Zimmer, ein Tablett mit Tellern, Tassen, Milch, Zucker, eine Kaffeekanne in der Hand. Sie war dunkel gekleidet, trug einen langen Rock, eine schwarze Bluse und eine eben solche Weste, stellte ihre Last auf dem Tisch ab.
    Braig erhob sich, gab ihr die Hand, nannte Namen und Beruf, kondolierte.
    »Esther Carl«, stellte sie sich vor, »meine Mutter hat Ihnen sicher erklärt, dass ich heute Morgen hergekommen bin.«
    Er nickte, ließ sich eine Tasse Kaffee mit Milch reichen, wartete, bis sich beide Frauen bedient hatten. »Sie wohnen weit weg?«, fragte er.
    Die Frau schüttelte den Kopf. »In Stuttgart. Seit drei Jahren.«
    »Wie haben Sie es erfahren?«
    Sie gab keine Antwort, starrte auf den Boden.
    »Freunde haben bei ihr angerufen«, erklärte ihre Mutter, »heute Morgen. Alle wissen Bescheid. Backnang ist eine kleine Stadt.«
    Braig nahm seine Tasse, nippte am Kaffee. Er war stark, schmeckte sehr bitter.
    »Können wir meinen Mann heute noch sehen?«
    Braig zuckte zusammen. Vor dieser Frage hatte er sich gefürchtet. »Ich würde Sie bitten ...« Er sprach nicht weiter. Wie sollte er es begründen? Wie soviel Feingefühl in seine Worte legen, dass er den eigentlichen Grund seiner Bitte nicht offen aussprechen musste, der Frau aber dennoch klar wurde, dass es für sie, für den Rest ihres Lebens, ihre Nächte, ihren Schlaf, ihre Träume besser wäre, wenn sie auf ihn hörte?
    »Er wurde erschossen, ja?«
    Braig nickte.
    »Herr Busch, Ihr Kollege, hat es mir mitgeteilt.«
    »Behalten Sie ihn so in Erinnerung, wie Sie ihn kennen.« Braig nahm all seinen Mut zusammen, wurde noch deutlicher. »Ich möchte Sie ganz herzlich darum bitten. Sie sollten darauf verzichten.«
    Greiling war identifiziert. Busch selbst hatte das getan. Sie mussten es ihr nicht antun, wozu?
    »In den Kopf?«
    »Ja«, sagte er, »der Mörder schoss auf die Stirn.«
    »Wer?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Braig, »wir sind erst am Anfang unserer Untersuchungen.«
    »Aus nächster Nähe?«, fragte Esther Carl.
    Er drehte den Kopf zu der jungen Frau, betrachtete sie. Sie hatte ihre Tasse am Mund, trank mit kleinen Schlucken.
    Braig nickte.
    »Das ist der Grund Ihrer Bitte?«
    Sollte er lügen? »Ja«, sagte er, »es sieht schlimm aus.«
    »Ihr Kollege sprach noch von Schlägen.«
    Braig wusste nicht, was Busch heute Nacht am Telefon alles erzählt hatte, wunderte sich aber doch über die Auskunftsfreude des Mannes. »Das kommt noch hinzu, ja.«
    Esther Carl stellte ihre Tasse zurück, weinte leise.
    »Wir behalten ihn so in Erinnerung, wie wir ihn kennen«, erklärte ihre Mutter, »der Herr wird mir die Kraft schenken.«
    Braig versuchte, sie abzulenken. »Sie waren mit Ihrem Mann auf dem Fest?«
    Klara Greiling schüttelte den Kopf, warf ihm einen fast empörten Blick zu. »Wir machen da nicht mit«, erklärte sie kurz.
    »Wobei?«, fragte er, voreilig und begriffsstutzig, verstand dann, was ihre Worte zu bedeuten hatten. »Nicht?« setzte er hinzu.
    Sie schüttelte den Kopf. »Das ist nicht unsere Welt.«
    Verwundert bemerkte er ihren entschlossenen Gesichtsausdruck. »Aber wie kam Ihr Mann dann dorthin?«
    Esther Carl tupfte sich mit einem Taschentuch die Tränen von den Wangen, mischte sich ins Gespräch. »Das fragen wir uns schon den ganzen Morgen. Was wollte er dort?«
    »Sie haben überhaupt keine Ahnung?«
    Die junge Frau schüttelte den Kopf. Tränen perlten ihr aus den Augen.
    »Hans war unterwegs zu einem Kunden«, erklärte Frau Greiling, »das hat er mir erzählt.«
    »So spät? Am Samstagabend?«
    »Sie wundern sich? Er ist oft«, sie stockte, verbesserte sich, »war oft abends unterwegs. Manchmal bis weit in die Nacht.«
    »Auch am Wochenende?«
    »Samstags ja, sonntags
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