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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut
Autoren: Klaus Wanninger
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restlichen Aufräumarbeiten der Polizisten. Die Krankenwagen waren längst weggefahren, die Ärztin wie die Sanitäter entsetzt und enttäuscht angesichts ihrer offenkundigen Hilflosigkeit. Die Spurensicherung hatte in mühseliger Arbeit die Unfallstelle überprüft, die gesamte Umgebung nach etwaigen brauchbaren Indizien abgesucht. Auch die Leichenwagen, drei verschiedene Autos, waren verschwunden.
    Der Unfall war so tragisch, dass die zuständige Polizeidienststelle um die Hilfe des Landeskriminalamtes gebeten hatte. Kommissar Steffen Braig stand am Rand der abgesperrten Fahrbahn, nahm den zusammenfassenden Bericht der Beamten entgegen. Der Kollege Helmut Rössle galt als einer der erfahrensten und zuverlässigsten Techniker des Stuttgarter Landeskriminalamtes. Sein Fleiß, verbunden mit profunder Sachkenntnis hatte schon mehrfach dazu beigetragen, aussichtslos erscheinende Fälle aufzuklären.
    »Nach unserer vorläufigen Erkenntnis können wir Fremdeinwirkung eindeutig ausschließen. Es gibt keinerlei Hinweise in diese Richtung. Die Sorge der Kollegen war überflüssig.« Rössle setzte seine dünne Nickelbrille ab, wartete auf Zwischenfragen Braigs.
    »Technisches Versagen?«
    »Lässt sich noch nicht endgültig beiseiteschieben, wir müssen die Überreste des Wagens noch genauer überprüfen. Ich sehe aber keinen Grund, allzu große Hoffnungen darauf zu verschwenden. Die Symptome sind geradezu klassisch. Alle Indizien weisen auf überhöhte Geschwindigkeit hin. Mindestens 180 Sachen, vielleicht sogar mehr.«
    Braig nickte zustimmend mit dem Kopf, bedankte sich.
    Deshalb mussten sich eigens fünf Mann des Landeskriminalamtes den späten Samstagabend hier draußen um die Ohren schlagen. Nur weil sich ein paar verrückte Halbwüchsige wieder mal nicht im Zaum halten konnten und sich selber beweisen mussten, zu was sie imstande waren.
    Die drei Insassen des Autos waren zwischen 20 und 22 alt, hatte man anhand der am Unfallort vorgefundenen Ausweise festgestellt, wer von ihnen am Steuer gesessen hatte, ließ sich noch nicht ermitteln. Gleich nach der Ausfahrt aus Winnenden, am Anfang des vierspurigen Ausbaus der Bundesstraße 14, hatte der junge Fahrer voll beschleunigt, die Möglichkeiten, die ihm die Trasse bot, ausgenutzt. Die Fahrt war zur letzten Tour seines Lebens geworden – auch für seine Freunde. Den Leichenbestattern blieb es vorbehalten, die im weiten Umkreis verstreuten Reste dreier junger Männerkörper zusammenzusuchen.
    Braig dachte an die wahnwitzigen Pläne vieler Politiker, die Bundesstraße weit über Winnenden hinaus mehrspurig auszubauen, schüttelte unwillig den Kopf. Rasten immer noch nicht genügend Verrückte in den Tod?
    Das Piepen des Handys unterbrach seine Gedanken. Er zog den kleinen Apparat aus seiner Jackentasche. Die Stimme des Kollegen aus dem LKA klang verzweifelt.
    »Ich weiß, wie spät es ist und seit wann du auf den Beinen bist. Aber heute ist der Teufel los. Straßenfeste in Waiblingen, Backnang und Böblingen. Unfälle, Schlägereien, Vergewaltigungen. Und jetzt eine Leiche. Alle sind unterwegs, ich finde niemanden mehr. Und du bist ganz in der Nähe.«
    Braig wusste, was die Worte des Beamten bedeuteten, seufzte laut. »Okay. Wo soll ich hin?«
    »Backnang«, erklärte der Mann, »mittendrin. In der Altstadt, hinter dem Amtsgericht. Aber sieh dich vor, die halbe Stadt ist unterwegs. Straßenfest. Und nimm die Spurensicherung mit. Alle anderen Kollegen sind vollkommen ausgebucht.«
    Braig maulte ein »Die werden sich freuen«, steckte das Handy weg.
    Auf der Gegenfahrbahn stauten sich immer noch die Fahrzeuge, starrten die Neugierigen auf die Unfallstelle. Wahrscheinlich war es nur noch eine Angelegenheit von wenigen Minuten, bis irgendein Verrückter mit vollem Tempo in den Pulk der Gaffer raste und auf der anderen Seite ein ähnliches Inferno verursachte wie hier.
    Sind wir denn wirklich alle von Neugier zerfressen, überlegte Braig, von der Sucht nach Sensationen, Abenteuern? Haben wir jede Scheu verloren, uns am Unglück anderer Menschen zu weiden?
    Angewidert von der lüsternen Meute auf der anderen Fahrbahn wischte sich Braig mit dem Handrücken übers Gesicht. Wie oft mussten sie nach dem Eintreffen an einem Tatort erst einmal dafür sorgen, lästige Menschenmassen wegzuscheuchen, um sich um die Opfer kümmern oder mühsam die wenigen noch nicht zertrampelten Spuren sichern zu können. Kaum war ein Verbrechen irgendwo publik geworden, stauten sich schon die
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