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Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt

Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt

Titel: Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt
Autoren: Henning Mankell
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er wollte nicht.
    Abends ging er über die Brücke zu Gertruds Haus. Sie musste ihn gesehen haben. Oder sie hatte ihn gehört. Als er durch die Pforte ging, kam sie ihm auf der Treppe entgegen. »Samuel ist tot«, sagte Joel. »Ich weiß.«
    Joel hätte wissen müssen, dass er ihr nichts Neues sagte. Obwohl Gertrud selten ausging, wusste sie alles, was passierte. Sie saßen in ihrer Küche.
    Er merkte, dass es ihm schwer fiel, sie anzusehen. Dann würde er anfangen zu weinen. Und das wollte er nicht. Sie saßen still da. Joel kannte niemanden, mit dem zusammen man schweigen konnte, außer mit Gertrud. Nach einer ganzen Weile bat sie ihn zu erzählen, wie es war, Seemann zu sein. Joel erzählte. Sie fragte nach Jenny.
    Er hatte keine Ahnung, wie sie wissen konnte, dass er seine verschwundene Mama gefunden hatte. Schließlich fragte sie ihn, was er tun wolle.
    »In Göteborg wartet ein Schiff auf mich«, antwortete er.
    »Was danach kommt, weiß ich nicht.«
    »Du kommst doch wieder?«
    »Warum sollte ich? Wo Samuel nicht mehr da ist.« »Aber ich bin da.«
    Joel antwortete nicht. Sie hatte Recht. Sie war noch da. Und es gab noch mehr Menschen, die er kannte und mochte. »Hier bist du aufgewachsen«, sagte sie. »Hier sind all deine Erinnerungen. Du kommst bestimmt wieder.«
    Weit nach Mitternacht ging Joel nach Hause. Das Haus war leer und wirkte gespenstisch. Joel hatte die Tür zu Samuels Zimmer zugemacht. Am liebsten hätte er sie abgeschlossen und den Schlüssel weggeworfen. Er ging ins Bett. Dachte daran, was Göransson über die Beerdigung gesagt hatte. Er überlegte, ob er Jenny anrufen oder schreiben sollte. Aber er wollte nicht mit ihr reden. Er würde ihr einen Brief schreiben. Joel richtete sich auf.
    Er musste für eine Todesanzeige in der Zeitung sorgen. Das hatte er fast vergessen.
    Aber was sollte darin stehen?
    Samuel Gustafson
    Geliebt und betrauert
    Das waren Worte, die nicht passten. Nicht zu Samuel. Joel stand auf und setzte sich mit einem Blatt Papier und Kugelschreiber an den Küchentisch. Überlegte verschiedene Möglichkeiten, bis er sich entschieden hatte.
    Aber Redakteur Hörn im Büro der Lokalzeitung runzelte die Stirn, als er Joels Text sah.
    Samuel Gustafson
    Der ans Ende der Welt gereist ist
    »Das kann ich nicht in die Zeitung setzen«, sagte er.
    »Warum nicht? Es geht doch um
meinen
Vater.«
    »Der Text ist nicht ganz passend.«
    »Warum nicht?«
    Redakteur Hörn schüttelte den Kopf. »Ich glaub, so gehört sich das nicht.«
    »Aber Samuel hat geglaubt, so ist der Tod, eine Reise ans Ende der Welt.«
    Redakteur Hörn schüttelte immer noch den Kopf.
    »Hast du mit den anderen darüber gesprochen?« »Welchen anderen?«
    »Mit den Trauernden? Dem Rest der Familie?«
    »Es gibt niemanden außer mir.«
    Jetzt wurde Redakteur Hörn unsicher.
    »So was hab ich noch nie in einer Todesanzeige gehabt, das ist mal klar.«
    »Ich möchte, dass es genau so gedruckt wird.«
    Redakteur Hörn sah Joel an. Ernst und lange. Dann nickte er. »Ich werde vermutlich einen Rüffel kriegen«, sagte er, »aber wenn du willst, dass es so sein soll, dann soll es auch so sein.« Als Joel wegging, dachte er, dass Samuel sehr zufrieden gewesen wäre. Er hatte bestimmt nicht besonders an Gott geglaubt. Aber das Ende der Welt, das war was anderes. Etwas, das es gab und doch nicht gab. Dorthin war Samuel jetzt unterwegs.
    Eine Woche später war die Beerdigung.
    Davor grauste es Joel. Aber Sara und Göransson waren immer in seiner Nähe.
    Ein paar Tage vor der Beerdigung hatte Pastor Boman ihn benachrichtigt, dass er ihn gern sprechen wollte. Joel zog seine besten Sachen an und ging zum Pfarrhof. Er kannte Pastor Boman noch nicht. Der war neu, ein junger Pfarrer, der erst seit ein paar Monaten im Ort war. Joel wurde aufgefordert sich zu setzen. Boman sprach ihm sein Beileid aus und Joel murmelte einen unhörbaren Dank.
    »Ich habe die Todesanzeige in der Zeitung gelesen«, sagte Boman. »Die hast doch sicher du formuliert. Ich muss sagen, das ist ein ungewöhnlicher Text…
ist ans Ende der Welt gereist. «
    »Samuel war ungewöhnlich«, sagte Joel energisch. »Er wollte es so.«
    »In welcher Beziehung war er so ungewöhnlich?« »Er stellte sich manchmal vor, das Haus, in dem wir wohnten, sei ein Schiff. Und die Wohnung war die Kommandobrücke. Und er war ein guter Holzfäller. Das hat Göransson gesagt.«
    »Ein ungewöhnlicher Mensch«, sagte Boman. »Möchtest du, dass ich bei der Beerdigung so über ihn
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