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Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Titel: Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war
Autoren: Henning Mankell
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kommt.
    Schließlich ist es meine Mama, denkt Joel. Warum versteckt er sie vor mir?
    Doch als er Papas Schritte auf der Treppe hört, weiß er, daß er nach nichts fragen wird.
    Er traut sich nicht. Statt dessen bittet er Papa Samuel, ihm noch einmal von den riesigen Seerosen zu erzählen, die es nur im Botanischen Garten auf Mauritius gibt. Papa Samuel sitzt auf seiner Bettkante.
    »Möchtest du nicht etwas anderes hören?« fragt er. »Von den Seerosen habe ich dir doch schon so oft erzählt.« »Heute abend nicht«, antwortet Joel. »Heute möchte ich etwas hören, was du schon mal erzählt hast.«
    Später liegt er im Dunkel und lauscht auf das Knacken im Gebälk des Hauses.
    Es muß etwas geschehen, denkt er, ehe er einschläft. Mitten in der Nacht wird er plötzlich wach. Und das ist der Augenblick, als er aufgestanden und zum Fenster getappt ist, der Augenblick, in dem er den einsamen Hund unter den Sternen laufen sieht…

3
    Zwei Wünsche hat Joel Gustafson: Einen neuen Herd und ein Fahrrad.
    Er kann sich nicht recht entscheiden, was wichtiger ist. Daß zwei Sachen nicht gleichzeitig dieselbe wichtige Bedeutung haben können, hat er begriffen, aber was den Herd und das Fahrrad angeht, da ist er unsicher. Er kennt niemanden, der sein Essen auf einem alten eisernen Herd kocht, der mit Holz geheizt wird. Nur er und sein Vater tun das. Heutzutage hat man einen Elektroherd. Niemand außer ihm muß sich Holzspäne zurechthacken, Feuerholz hereinholen und unendlich lange warten, bis die Herdringe so heiß geworden sind, daß das Kartoffelwasser anfängt zu kochen.
    Es ist eine Qual, jeden Tag nach der Schule aufpassen zu müssen, daß das Feuerholz im Herd nicht ausgeht. So was mußte man in vergangenen Zeiten machen. Nicht heute, im Frühling 1956.
    Eines Tages nimmt er allen Mut zusammen und fragt Papa Samuel. Gerade an diesem Tag war das Feuerholz feucht gewesen und hatte nicht brennen wollen. Außerdem hatte er sich am Kochtopf verbrannt, als die Kartoffeln endlich gar waren.
    »Wollen wir den Herd nicht rausschmeißen?« fragt er.
    Papa Samuel schaut auf. Er liegt auf der Küchenbank und blättert in der Zeitung.
    »Stimmt irgendwas nicht mit dem Herd?« fragt er. »Ist er kaputt?«
    Stimmt was nicht! denkt Joel. Nichts stimmt! Und das schlimmste an dem Herd ist, daß es kein Elektroherd ist. »Alle haben einen Elektroherd«, sagt er. »Nur wir nicht.«
    Papa Samuel blinzelt über seine Lesebrille. »Wie viele, glaubst du, haben ein Schiffsmodell mit Namen ›Celestine‹?« sagt er. »Wer außer uns? Wollen wir das auch rausschmeißen? Damit wir sind wie alle anderen?« Joel mag nicht, wenn Papa Samuel auf Fragen antwortet, indem er eine neue Frage stellt. Dann ist es schwer, das im Auge zu behalten, worum es eigentlich geht. Aber diesmal will er sich nicht verwirren lassen.
    »Wenn ich auch in Zukunft Kartoffeln kochen muß, dann will ich einen Elektroherd haben«, sagt er. Dann sagt er etwas, das er gar nicht sagen wollte. »Wenn ich schon die Mutter im Haus bin.« Papa Samuel wird sofort ernst und schaut ihn lange an, ohne zu antworten. Joel hätte gern gewußt, was er denkt. »Ein Elektroherd ist ziemlich teuer«, sagt Papa Samuel schließlich. »Aber wir kaufen einen, sobald ich genügend Geld zusammengespart habe. Das versprech ich dir. Wenn du es nun so gern möchtest.«
    In dem Augenblick liebt Joel seinen Papa. Nur einer, der Seemann gewesen ist, begreift sofort, was man meint, denkt er. Nur einer, der gelernt hat, wichtige Entscheidungen zu treffen, wenn es auf den Meeren stürmt, weiß, wann es Zeit ist, einen alten Holzofen rauszuschmeißen.
    Gleichzeitig bereut er ein bißchen, daß er nicht mit dem Fahrrad angefangen hat. Jetzt ist es zu spät. Jetzt muß er einige Wochen damit warten. Man kann nicht um zwei Sachen auf einmal bitten, das ist eine Sache zuviel. Er rechnet im Kopf nach.
    Heute ist der dritte März. Frühestens in einem Monat kann er ein Fahrrad haben. Aber dann liegt immer noch Schnee, und man kann unmöglich mit dem Rad fahren. Das ist gut. Dann ist er wenigstens nicht der letzte, der kein Rad hat. Aber er hätte schon viel eher von dem Elektroherd reden sollen. Er will sich merken, daß er niemals zu lange mit einer Frage warten darf. Aber noch wichtiger als der Herd und das Fahrrad ist der Hund.
    An diesem Abend, als Papa Samuel ihm einen neuen Herd versprochen hat, kann Joel nicht einschlafen. Durch die Wand hört er das Radio. Noch spielt Musik. Sollte er immer noch wach
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