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Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Titel: Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war
Autoren: Henning Mankell
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sein, wenn das Signal kommt, das die Abendnachrichten ankündigt, dann ist er am nächsten Morgen, wenn er aufstehen muß, bestimmt sehr müde. Er lauscht in die Dunkelheit. Die Kälte knackt in den Wänden. Die Dachbalken seufzen und ächzen. Er denkt daran, daß die Tage länger und heller werden. Auch in diesem Jahr werden die Schneewälle irgendwann wegschmelzen, und plötzlich wird in einem Graben der erste Huflattich gelb leuchten.
    Joel beschließt, mit der Suche nach dem Hund zu beginnen. Wenn er noch nicht bei einem Stern angekommen ist, werde ich ihn finden, denkt er.
    Er will den Hund nachts suchen. Wenn Papa Samuel eingeschlafen ist, steht er auf, zieht sich an und schleicht hinaus in die Nacht.
    Vielleicht ist nachts alles anders, denkt er. Vielleicht ist der Hund nur nachts sichtbar? Wenn es nun einmal ein Volk des Tages und ein Volk der Nacht gibt? Menschen, die nur nachts zu sehen sind. Kinder, die nachts zur Schule gehen. Eltern, die im Wald arbeiten oder einkaufen gehen. Nachtmenschen und Nachtschulen, Nachtautos und Nachthäuser, Nachtkirchen und eine Nachtsonne. Nicht der Mond, sondern eine richtige Sonne, die nur für den sichtbar ist, der nachts lebt…
    Er hört, wie die Abendnachrichten im Radio beginnen. Papa hat das Radio lauter gestellt. Sicher denkt er, Joel schläft. Aber Joel ist hellwach. Er liegt da und wartet nur darauf, daß Papa Samuel einschläft, damit er aufstehen und hinaus in die Nacht gehen kann.
    So muß ein Abenteuer anfangen, denkt er. Ein Abenteuer, das man selbst geschaffen hat, das man allein erlebt… Die Nachrichten sind zu Ende, und Joel hört, wie Papa Samuel das Radio abschaltet und in die Küche geht und sich wäscht.
    Joel weiß genau, wie er sich wäscht. Zuerst das Gesicht, dann putzt er die Zähne, danach gurgelt er. Wenn er schließlich das Licht in der Küche ausmacht, räuspert er sich jedesmal.
    Ungeduldig wartet Joel darauf, daß es still wird. Aber ohne recht zu wissen, wie es zugegangen ist, schläft er ein, und als er aufwacht, ist es Morgen, und Papa Samuel ist schon in den Wald gegangen.
    Joel ist müde und wütend, als er sich aus dem Bett quält. Niemals ist das Linoleum auf dem Fußboden so kalt, wie wenn er zu wenig geschlafen hat. Außerdem sind die Knopflöcher zu eng und die Strümpfe zu klein, und als er sich die Hände am Herd aufwärmen will, stößt er sich den Kopf am Kaminabzug.
    Er hat schon oft darüber nachgedacht, was eigentlich geschieht, wenn er einschläft. Er hat versucht sich vorzustellen, daß ein kleines Wesen in ihm herumwandert und verschiedene Kerzen auslöscht, und wenn es dann ganz dunkel in ihm drin ist, schläft er ein. Das muß jemand sein, der zum Volk der Nacht gehört, denkt er. Dieses Volk will nachts seine Ruhe haben, es will, daß wir schlafen…
    Eigentlich möchte er heute nicht in die Schule gehen. Am liebsten wäre er wieder ins Bett gekrochen und hätte weitergeschlafen, damit er in der Nacht ausgeschlafen ist. Er will sein eben entdecktes Abenteuer nicht noch einmal verpassen.
    Aber er steckt die Füße in die Gummistiefel und springt die Treppe in vier Sätzen hinunter, um nicht zu spät in die Schule zu kommen. Frau Nederström mag es nicht, wenn man nicht rechtzeitig kommt. Dann muß man aufstehen und erklären, warum man zu spät gekommen ist. Und dann riskiert man, daß Otto in der Pause fragt, warum einen die Mama nicht rechtzeitig geweckt hat. Joel nimmt die Abkürzung über die weißen Wege des Friedhofs. Hastig schaut er sich um, ob ein neues Grab hinzugekommen ist. Über den schwarzen Stein, auf dem »Bauer Nils Wibergs Ruhestätte« steht, springt er wie gewöhnlich geradewegs hinweg. Aber heute ist Eis unter dem Schnee. Er fällt hin und tut sich am Po weh. Es gibt Gespenster, obwohl er nicht dran glaubt. Vielleicht ist es Nils Wiberg gewesen, weil es ihm nicht paßt, wenn man über sein Grab springt?
    Er stürmt über den Schulhof und schafft die Treppe in der letzten Sekunde. Die Schulglocke läutet, und er stellt sich vor, es ist der Kapitän auf der Bark »Celestine«, der seine Mannschaft ruft. An diesem Tag im Jahr 1956 wollen sie Bristol verlassen und in die Biscaya segeln mit einer Ladung lebendiger Pferde und Stoffe aus einer Weberei in Manchester.
    Genau wie Papa Samuel es erzählt hat. In die Biscaya mit Pferden und Stoffen!
    Auf dem Heimweg nach der Schule geht Joel in den Buchladen und kauft sich ein Notizbuch. In einer Blechdose, die unter seinem Bett steht, hat er neunzehn Kronen
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