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Jetzt Plus Minus

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Titel: Jetzt Plus Minus
Autoren: Robert Silverberg
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in den Aufzeichnungen können wir nicht bestimmen, welche Schätzung die richtigere war. Unsere Entgiftungstrupps müßten in 800 bis 1300 Jahren in die betroffenen Gebiete eindringen können. Diese Episode erregt stets ungeheure Bewunderung in mir. Wieviel Gusto, wieviel robusten Witz diese Alten gehabt haben müssen!
    Wir bekommen Urlaub, damit wir in die Berge von Uruguay fahren können, um den Ort einer der letzten menschlichen Siedlungen zu besichtigen, vielleicht der allerletzten. Er wurde vor einigen hundert Jahren von einem Wiederherstellungsteam entdeckt und ist in seinem ursprünglichen Zustand als Museum für die Touristen belassen worden, die eines Tages die Mutterwelt werden besichtigen wollen. Man gelangt durch einen langen Tunnel aus glänzend-roten Ziegeln hinein. Eine Reihe von Luftschleusen verhindert, daß die Außenluft eindringt. Das Dorf selbst, zwischen zwei schroffen Gipfeln, wird durch eine durchsichtig schimmernde Kuppel geschützt. Automatische Anlagen sorgen dafür, daß die Temperatur gleichbleibend mild ist. Es gab tausend Bewohner. Wir können sie auf den großen Plätzen, in den Kneipen und an Erholungsstätten sehen. Familiengruppen bleiben beisammen, oft mit ihren Haustieren. Einige tragen Schirme. Alle sind außergewöhnlich gut erhalten. Viele lächeln. Manche starben mitten im Wort, und Gelehrte haben, bislang erfolglos, große Mühe darauf verwendet, die letzten Worte, die auf ihren Lippen erstarrten, auszumachen und zu übersetzen. Wir dürfen niemand berühren, aber wir können ihre Häuser betreten, ihren Besitz und ihre Toiletteneinrichtungen betrachten. Ich bin fast zu Tränen gerührt, wie andere von uns. »Vielleicht sind das unsere eigenen Vorfahren«, stößt Ronald hervor. Aber Bruce erklärt verächtlich: »Das ist lächerlich. Unsere Vorfahren müssen längst das Weite gesucht haben, bis diese Leute geboren waren.« Vor dem Ort finde ich einen winzigen, glänzenden Knochen, möglicherweise das Schienbein eines Kindes, vielleicht auch Teil von einem Hundeschwanz. »Darf ich ihn behalten?« frage ich unseren Anführer. Aber er zwingt mich, ihn dem Museum zu überlassen.
    Die Archive liefern viel Faszinierendes. Zum Beispiel dieses schöne Exempel ironischer Distanz beim Umgang mit der Umwelt. Im Meer vor einem Gebiet, das Kalifornien genannt wurde, gab es riesige Wälder eines Riesentangs, der Kelp hieß und eine gewaltige, komplizierte Gemeinschaft von Meereslebewesen barg. In dreißig Meter Tiefe lebten am Meeresboden Seeigel, mitten zwischen den Haftorganen, die das Kelp festhielten. Fellbekleidete Meeresbewohner, Ottern genannt, ernährten sich von den Seeigeln. Die Erdbewohner entfernten die Ottern, weil sie ihre Felle gebrauchen konnten. Später starb das Kelp ab. Wälder vom Umfang vieler Meilen verschwanden. Das hatte ernste Folgen, denn das Kelp war wertvoll, ebenso wie viele Tiere, die darin lebten. Eine Untersuchung des Meeresbodens ergab eine starke Zunahme von Seeigeln. Nicht nur waren ihre natürlichen Feinde, die Seeottern, beseitigt worden, sie nährten sich auch von den riesigen Mengen organischer Stoffe in den Abfällen, die man ins Meer schüttete. Millionen Seeigel nagten an den Haftorganen des Kelps, entwurzelten die hohen Pflanzen und führten ihr Absterben herbei. Als bei einem Unfall ein Öltanker seine Ladung ins Meer ergoß, starben viele Seeigel, und das Kelp breitete sich wieder aus. Das erwies sich jedoch als unpraktische Methode, mit den Seeigeln fertig zu werden. Man schlug vor, die Ottern wieder an ihre Plätze zurückzubringen, aber es gab nicht mehr genug davon. Schließlich kippte man aus Schiffen gebrannten, ungelöschten Kalk ins Meer. Das war für die Seeigel tödlich; als sie tot waren, holte man aus anderen Teilen des Meeres gesundes Kelp und pflanzte neue Wälder. Nach einer Weile kamen die Seeigel wieder und begannen das Kelp erneut zu fressen. Man schüttete noch mehr gebrannten Kalk hinein. Die Seeigel starben, und man pflanzte neues Kelp. Später kam man dahinter, daß der ungelöschte Kalk schädliche Wirkungen auf den Meeresboden selbst hatte, und man schüttete andere Chemikalien hinein, um das auszugleichen. Das erforderte alles große Einfallskraft und sehr viel Energie und Geld. Edward glaubt, daß diese Maßnahmen etwas sehr Japanisches hatten. Ethel betont, daß das Problem mit dem Kelp nie aufgetaucht wäre, wenn die Erdbewohner nicht einfach die Ottern beseitigt hätten. Wie naiv Ethel ist! Sie versteht nichts von
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