Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jetzt Plus Minus

Jetzt Plus Minus

Titel: Jetzt Plus Minus
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
gefährlich werden, wenn Edith versuchen sollte, das zu ändern.
    Um von diesem Thema wegzukommen, sprachen wir über die Börse. Mike sagte mir, welche Papiere er erworben hatte und wie sie standen. Er holte seine Zeitung, damit wir vergleichen konnten. Mir fiel sofort auf, daß der Druck noch verschwommener war als bei mir am Dienstag abend, und die Seiten sahen ganz grau und rauh aus.
    Was hältst du davon? sagte ich. Das Papier scheint eindeutig zu verschleißen.
    Das ist schleichende Entropie, sagte er.
    Schleichende Entropie?
    Entropie ist die natürliche Neigung aller Dinge im Universum, mit der Zeit zu verfallen, weißt du. Diese Zeitungen müssen ungewöhnlich starken entropischen Belastungen ausgesetzt sein, wegen ihrer abnormalen Position außerhalb ihres richtigen Ortes in der Zeit. Mir ist aufgefallen, daß der Druck immer schwerer zu lesen ist, und es sollte mich nicht wundern, wenn er in ein paar Tagen ganz unleserlich werden würde.
    Wir suchten die Notierungen meiner Aktien heraus, und als erstes sahen wir einen Wert am 30. November einen Höchststand von 149 3/4 erreichen.
    Moment mal, sagte ich, ich bin sicher, daß der Höchststand 149 glatt beträgt.
    Mike hielt das für eine Auswirkung des undeutlichen Drucks, aber nein, auf dieser Seite war er noch ganz klar, und da stand 149 3/4. Ich suchte Natomas heraus und fand eine Notierung von 56 7/8. Ich sagte, ich bin sicher, daß es 57 Punkte gewesen sind. Und so auch bei anderen Papieren. Die Zahlen stimmten nicht mit dem überein, was ich im Gedächtnis hatte. Wir führten eine freundschaftliche kleine Diskussion darüber, und dann war sie nicht mehr so freundschaftlich, als Mike andeutete, mein Gedächtnis sei nicht zuverlässig, also trabte ich schließlich die Straße hinunter und holte mein eigenes Exemplar. Wir breiteten sie nebeneinander aus und verglichen die Notierungen. Tatsächlich waren sie beide verschieden. Kaum eine Notierung in seinem Exemplar stimmte mit meinen überein, alle unterschieden sich hier um einen Achtel-, dort um einen Viertelpunkt. Schlimmer noch, die Notierungen entsprachen auch nicht denen, die ich am ersten Tag abgeschrieben hatte. Keiner der Kurse meiner fünf Aktien stimmte mit dem zusammen, wovon ich ausgegangen war.
    Ein schwerer Fall von schleichender Entropie, sagte Mike.
    Ich würde gern wissen, ob die Zeitungen überhaupt von Anfang an übereingestimmt haben, meinte ich. Wir hätten sie gleich am ersten Tag vergleichen sollen. Jetzt werden wir es nie wissen, ob wir alle denselben Ausgangspunkt hatten.
    Sehen wir uns die anderen Seiten an, Bill.
    Wir verglichen. Die Schlagzeilen auf der ersten Seite stimmten überein, aber in den Artikeln gab es schon Unterschiede. Viele Kleinanzeigen waren durcheinander, manche Todesanzeigen lauteten anders. Alles in allem waren die Zeitungen ähnlich, aber durchaus nicht identisch.
    Wie kann das sein? fragte ich. Wie können sich Worte auf einer bedruckten Seite von einem Tag zum andern verändern?
    Wie kann überhaupt eine Zeitung aus der Zukunft zugestellt werden? fragte Mike.
    Wir riefen ein paar von den anderen an und erkundigten uns nach den Aktienkursen. Wir wollen nur etwas nachprüfen, sagten wir. Charlie Harris sagte, Natomas stehe bei 56, Jerry Wesley sagte, bei 57 1/4, und Bob Thomason erwiderte, die ganze Börsenseite sei so verwischt, daß er kaum etwas lesen könne, aber die Notierungen für Natomas vermute er bei 5 1/2. Und so ging es weiter. Jede Zeitung war ein wenig anders.
    Schleichende Entropie. Mit einer vernichtenden Wirkung.
    Worauf können wir uns noch verlassen? Was ist real.
    Am Samstag nachmittag kam Bob Thomason aufgeregt herüber. Er hatte seine Zeitung unter dem Arm, zeigte sie mir und sagte, schau dir das an, Bill, wie ist das möglich? Die Seiten fielen praktisch auseinander und waren völlig leer. Man konnte kleine Schmutzspuren sehen, wo einmal Wörter gewesen waren, aber das war alles. Die Zeitung sah aus, als sei sie eine Million Jahre alt.
    Ich holte die meine aus dem Schrank. Sie war in schlechtem Zustand, sah aber nicht so schlimm aus wie die von Bob. Der Druck war schwach und undeutlich, aber manches konnte ich noch lesen. Natomas 56 1/4, Levitz-Möbel 103 1/2, Disney 117 3/4. Ständig neue Zahlen.
    Inzwischen hat sich die Börse zwei Tage hintereinander erholt, und alle meine Aktien steigen. Ich werde vielleicht verrückt, aber es sieht wenigstens danach aus, daß ich keinen finanziellen Einbruch erleide.
    Montag abend, 29. November.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher