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Jetzt Plus Minus

Jetzt Plus Minus

Titel: Jetzt Plus Minus
Autoren: Robert Silverberg
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JETZT Plus Minus
    Alles war so einfach, so elegant, so gewinnbringend für uns gewesen. Und dann lernten wir die reizende Selene kennen und waren beinahe ruiniert. Sie trat während unserer regelmäßigen Sendestunde in unser Leben, am Mittwoch, dem 7. Oktober 1987, zwischen 18 und 19 Uhr MEZ. Die Stunde des Geldverdienens. Ich war in einem befriedigenden Kontakt mit mir selbst. Jetzt minus n war zuerst fällig, dann würde ich von Jetzt plus n hören.
    Ich war auf Schwierigkeiten gefaßt. Ich wußte, daß etwas Problematisches bevorstand, weil es am Montag, während ich Nachrichten von meinem Ich am Mittwoch empfangen hatte, eine unerklärliche und unerklärte Unterbrechung der Verbindung gegeben hatte. Der Erfolg war, daß ich keine Daten von Jetzt plus n über die Aktiennotierungen in unserem Übertragungsportefeuille von letzter Woche bekam und deshalb nichts unternehmen konnte. Zwei Tage sind vergangen, und ich bin das Ich vom Mittwoch, das meinem Ich vom Montag nichts mitgeteilt hat, und ich habe keine Ahnung, was geschehen wird, um die Verbindung zu unterbrechen. Am wenigsten sehe ich Selene voraus.
    Bei Geschäften wie den unseren kann man keine Ablenkungen brauchen, sexueller oder sonstiger Art. Wir müssen uns völlig konzentrieren. Zu jedem Zeitpunkt besteht zwischen uns ein ständiger, schwacher Kontakt; wir spüren wechselseitig unsere beruhigende Gegenwart. Aber die Übertragung der Daten von Ich zu Ich erfordert große Aufmerksamkeit.
    Ich will Ihnen meine Methode erklären. Dann verstehen Sie meine Schwierigkeiten vielleicht.
    Ich befasse mich mit Kapitalanlagen. Ich mache meine ganze Arbeit nur zu dieser Stunde. Um diese Zeit ist es in New York Mittag; die Börse ist noch geöffnet. Ich kann schnell meine Makler anrufen, wenn für mich die Zeit kommt, zu kaufen oder zu verkaufen.
    Zur Zeit ist mein Büro in der Cocktailbar ›Astralkugel‹ im Hotel ›Henry VIII‹ südlich der Themse. Mein Büro kann überall sein. Alles, was ich brauche, ist ein Telefon. Die ›Astralkugel‹ hat den passenden Namen. Das Lokal dreht sich endlos auf einer lautlosen, geölten Schiene im Kreis. Zirpende Skulpturen im sogenannten galaktischen Stil schweben durch die Luft und ergießen Kaskaden von vielfarbigem Licht über die Gäste. Hinter den riesigen Panoramafenstern dieses herrlichen Saales liegt die neblige Dunkelheit des Londoner Abends, die ich nicht beachte. Für mich ist das immer dasselbe, wo ich auch sein mag: London, Nairobi, Karatschi, Istanbul, Pittsburgh. Ich suche nur eine angemessen bequeme Umwelt, Luft, die man seiner Lunge zumuten kann, Service in dem Stil, den ich verlange, und eine Telefonleitung. Die individuellen Eigenschaften irgendeines Ortes berühren mich nicht. Ich bin wie die zehn Planeten unserer Sonnenfamilie: immer auf Fahrt, aber nie Tourist.
    Ich, der ich Jetzt minus n bin, stehe bereit, eine Nachricht von mir zu empfangen, der ich Jetzt bin.
    »Also los, Jetzt plus n «, sagt er. Für ihn bin ich nämlich Jetzt plus n. Für mich selbst bin ich Jetzt. Alles ist relativ; n ist heutzutage genau 48 Stunden.
    »Es geht los, Jetzt minus n «, sage ich zu ihm.
    Ich sammle meine Kräfte, indem ich trinke. Chateau d’Yquem ‘79 in einem schlanken, tschechischen Kelch. Klebrig-süßes Zeug; der Kellner war entsetzt, als ich es vor dem Abendessen bestellte. Horreur! Quel aperitif! Aber der Wein erleichtert die Verbindung. Auf irgendeine Weise schmiert er die Leitung. Ich bin bereit.
    Mein Tisch ist ein einziger eleganter Block aus glitzerndem, beleuchtetem Kristall, irisierend, auf raffinierte Weise wandernde Moire-Muster erzeugend. Auf dem Tisch liegt, noch zusammengefaltet, die heutige europäische Ausgabe der Herald Tribune. Ich beuge mich vor. Aus der Brusttasche ziehe ich ein Blatt Papier, die Computerliste der Aktien, die ich am Montag nachmittag gekauft habe. Nun gestatte ich meinen Augen, die kleingedruckten Notierungen in meiner Zeitung zu überfliegen. Ich verweile kurz auf der Überschrift, damit es keinen Irrtum gibt: ›Notierungen bei Börsenschluß, New York, Dienstag, 6. Oktober‹. Für mich sind das die Preise von gestern. Für Jetzt minus n sind es die Preise von morgen. Jetzt minus n bestätigt, daß er ein scharfes Bild empfängt.
    Ich bin im Begriff, diese Preise meinem Ich vom Montag zu übermitteln. Verstehen Sie jetzt, wie das vor sich geht?
    Ich gehe durch und wähle aus.
    Ich suche nur nach den Aktien, die an einem Tag um mehr als fünf Prozent schwanken. Ob sie
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