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Jetzt Plus Minus

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Titel: Jetzt Plus Minus
Autoren: Robert Silverberg
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den Grundsätzen der Ironie. Auch Lyrik verwirrt sie. Edward lehnt es jetzt ab, mit Ethel zu schlafen.
    In den letzten Jahrhunderten ihrer Ära gelang es den Bewohnern der Erde, die Oberfläche ihres Planeten fast vollständig mit einer Haut aus Beton und Metall zu überziehen. Wir müssen viel davon aufreißen, damit der Planet wieder atmen kann.
    Es wäre leicht und wirksam, Sprengstoff oder Säure zu verwenden, aber uns geht es nicht um Leichtigkeit und Wirkung; außerdem besteht große Besorgnis, daß Sprengstoffe oder Säuren die Umwelt noch mehr schädigen könnten. Wir verwenden deshalb riesige Maschinen, die Zinken in die großen Risse stoßen, die sich im Beton gebildet haben. Sobald wir die einzementierten Platten herausgehoben haben, zerfallen sie gewöhnlich rasch. Wolken von Zementstaub ziehen durch die Straßen dieser Städte und überziehen die Reste der Gebäude mit einem dünnen Überzug aus weißgrauem Staub. Das sieht zart und erfrischend aus. Paul meinte gestern, es könnte sein, daß wir die Umwelt schädigen, wenn wir diesen Staub freisetzen. Ich bekam es mit der Angst zu tun und meldete ihn unserem Anführer. Paul wird in eine andere Gruppe versetzt.
    Gegen das Ende zu trugen sie hier alle Atemanzüge, ähnlich den unseren, aber noch umfangreicher. Wir finden diese Anzüge überall, wie die abgestoßenen Panzer von Rieseninsekten. Die fortgeschrittensten Modelle sind vollständige Behausungsanlagen für Einzelpersonen. Anscheinend war es nicht erforderlich, den Anzug zu verlassen, außer um so lebenswichtige Funktionen wie den Geschlechtsverkehr oder eine Geburt zu erfüllen. Der Widerwille der Erdbewohner, ihre Anzüge selbst zur Ausführung dieser Funktionen zu verlassen, muß am Ende den Bevölkerungsrückgang sehr beschleunigt haben.
    Unsere philosophischen Gespräche. Gott hat diesen Planeten geschaffen. Darüber sind wir uns alle einig, wobei für den Augenblick die Definitionen von Begriffen wie ›Gott‹ und ›geschaffen‹ außer acht bleiben. Warum hat Er sich solche Mühe gemacht, die Erde zu schaffen, wenn es Seine Absicht war, sie unbewohnbar zu machen? Hat Er die Menschheit eigens zu diesem Zweck erschaffen, oder haben sie in freiem Willen gehandelt? War die Menschheit Gottes Weise, sich an Seiner eigenen Schöpfung zu rächen? Weshalb sollte Er sich an seiner eigenen Schöpfung haben rächen wollen? Vielleicht ist es ein Fehler, die Zerstörung der Erde von einem moralischen oder ethischen Standpunkt aus zu sehen. Ich glaube, wir müssen sie im rein ästhetischen Sinn sehen, also als in sich ruhende artistische Leistung, um ihrer selbst willen hervorgebracht, einer Erklärung nicht bedürftig. Nur auf diese Weise können wir verstehen, wie die Erdbewohner fähig waren, so fröhlich an ihrer eigenen Erstickung mitzuwirken.
    Meine Dienstzeit ist fast abgelaufen. Es war ein überwältigendes Erlebnis; ich werde nie mehr derselbe sein. Ich muß meine Dankbarkeit für diese Gelegenheit ausdrücken, die Erde so gesehen zu haben, oder fast so, wie ihre Bewohner sie kannten. Ihre rostfarbenen Ströme, ihre verätzten Wiesen, ihren purpurroten Himmel, ihre blauen Pfützen. Den Schutt, die nackten Hügel, die flammenden Flüsse. Bald werden dank der hingebungsvollen Arbeit von Wiederherstellungsteams diese oberflächlichen, aber wunderschönen Embleme des Todes verschwunden sein. Das wird einfach eine Welt mehr für Touristen sein, von sentimentaler Kuriosität, aber nicht von einzigartigem Wert für die Empfindung. Wie langweilig wird das sein, eine neue grüne, angenehme Erde, warum, warum? Das Universum hat genug bewohnbare Planeten; Erde hat sie zur Zeit nur eine. War also unsere ganze Mühe ein Irrtum? Manchmal glaube ich, daß es falsch von uns war, diesen Eingriff vorgenommen zu haben. Aber auf der anderen Seite erinnere ich mich an unsere grundlegende Bedeutungslosigkeit. Der Heilungsprozeß ist ein natürlicher und unausweichlicher. Mit uns oder ohne uns, der Planet reinigt sich selbst. Der Wind, der Regen, die Gezeiten. Wir unterstützen das nur ein wenig.
    Ein Gerücht erreicht uns, daß man auf der tibetanischen Hochebene eine Kolonie von lebenden Erdbewohnern gefunden hat. Wir fliegen hin, um festzustellen, ob das wahr ist. Über einer riesigen, roten, leeren Ebene schwebend, sehen wir große, dunkle Gestalten langsam herumgehen. Sind das Erdbewohner, in Atemanzügen seltsamer Konstruktion? Wir sinken herab. Angehörige anderer Wiederherstellungstrupps sind schon zur Stelle.
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