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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
Autoren: Bettina Haskamp
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gefällt.«
    Ich stellte mich ja auch nicht vor die Berger und sagte ihr ins Gesicht, dass ich sie für eine aufgeblasene, arrogante Zicke hielt. Und Knut hatte keine Ahnung, dass ich die Handtasche, die er mir zum Geburtstag geschenkt hatte, einfach fürchterlich fand.
    »Wir nennen das prosoziale Lügen.«
    Prosozial. Das klang nett, das klang nach einer guten Tat. Ob dazu auch zählte, wenn man Touristen durch interessante Geschichten den Tag versüßte? Nicht, dass ich das noch einmal vorgehabt hätte. Es interessierte mich einfach.
    »Frau Dr. Stieglitz, Sie haben vorhin auch die Kategorie Geltungslüge erwähnt – was ist darunter zu verstehen?« – »Auch das ist eine weitverbreitete Art der Täuschung. Denken Sie an den Angler, der einen riesigen Fisch gefangen hat, der in Wahrheit nur halb so groß war.«
    Sag ich doch; alles ganz harmlos, das macht doch jeder mal. Die Berge, die Knut im Urlaub erklommen hat, waren hinterher auch immer viel höher.
    »Wenn der Hang zur Übertreibung überhandnimmt, kann das Lügen aber auch krankhaft werden; wir sprechen dann von der Pseudologia phantastica. Pseudologen versuchen durch ihr Lügen in der Regel, kindliche Entbehrungen mit Hilfe von Lügengeschichten zu kompensieren. Anders gesagt, dient dann die Lüge der seelischen Entlastung, die …«
    Ach Gott, jetzt ging das psychologische Gelaber los. Die Mutter ist schuld und so. Das ging mich nichts mehr an. Ich schaltete das Radio ab, aß anstelle der Nudeln schnell eine Schnitte mit Tomate und ging ins Bett.
    Leider konnte ich meinen Kopf nicht ebenso einfach abschalten. Wie konnte sich ein blödes Wort so schnell in meinem Hirn festgesetzt haben? Pseudologia phantastica. Kindliche Entbehrungen, kompensiert durch Lügengeschichten. Seelische Entlastung. Ich hatte als Kind nichts entbehrt. Als junges Mädchen vielleicht, aber nicht als Kind. Mich konnten die nicht meinen. Ist ja auch egal, dachte ich, Lillian existiert nicht mehr. Nur noch die gute alte Lilli. Keine Geschichten mehr. Kein neues Ich. Neue Ichs sollten generell verboten werden. Die machten nur Probleme. Ich würde wohl mit meinem alten Ich leben müssen. Die Frage war nur: allein oder zu zweit. Mein Kopf spielte Monopoly, und es gab nur eine einzige Ereigniskarte: Gehe mit deinen Gedanken zurück auf Los. Ich drehte eine Runde nach der anderen und kam nirgendwo an.
    Der Sonntag begann mit dem Piepsen meines Smartphones.
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Datum: 10.12.2011
    Hallo, Lilli, gestern habe ich eine hochinteressante Sendung im Radio gehört und musste die ganze Zeit an dich denken. Schnapp jetzt bitte nicht ein – es ging um das Thema Lügen. Erst nur ganz allgemein, aber dann wurde es immer interessanter. Die haben da auch über die Fähigkeiten und die Psychologie von Betrügern wie dieser Marie-Anne gesprochen. Das hätte dich mit Sicherheit interessiert. Jedenfalls ist mir beim Zuhören eine Idee gekommen, die ich dir gern erzählen würde.
    Das klingt ein bisschen, als bräuchte ich einen Vorwand, mich bei dir zu melden, oder? Kann schon sein. Du hattest recht mit dem, was du über unsere Freundschaft gesagt hast. Vierzig Jahre einfach so wegzuschmeißen ist ganz schön blöd.
    Also: Wenn du magst, melde dich. Ich stell schon mal den Prosecco kalt.
    PS: Und meine Idee ist WIRKLICH gut.
    PPS: Wie wäre es heute Mittag – ich mache eine Lasagne.
    Tina

16
    D u bist komplett verrückt! Ich kann doch gar nicht schreiben.« Die erste Flasche Prosecco lag bereits im Korb für das Altglas, und die zweite war auch nur noch halbvoll. Diesmal saßen wir nicht in Tinas Wohnzimmer, sondern in ihrer glänzend rot gestrichenen Küche. Tina hatte schon während des Essens geredet, als würde sie dafür bezahlt. Ihre Lachslasagne war darüber kalt geworden, sie hatte den Teller an den Rand des Holztisches geschoben. »Aber du hast eine Geschichte zu erzählen. Und genau darum geht’s doch! Außerdem: Wer gut erzählt, kann auch schreiben. Und ich bin ja auch noch da.«
    Ich brauchte noch mehr Prosecco. Am besten mehrere Liter. »Also wenn ich dich richtig verstanden habe, dann willst du ein Buch über Lügnerinnen und Lügner machen und darin gleichzeitig erzählen, wie man sich vor ihnen schützen kann.« – »Genau. Ich würde den populärwissenschaftlichen Teil übernehmen. Und du erzählst die Geschichte der belogenen Lügnerin.« Ich tippte mir demonstrativ an die Stirn. »Klar, und oute mich vor der ganzen Nation. Das meinst du doch
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