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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
Autoren: Bettina Haskamp
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Werkstatt eingerichtet hatte und einen Großteil seiner Zeit verbrachte. Mutter machte mit Richard einen Spaziergang durch die verschneite Landschaft. Auf mich war sie sauer. Vermutlich hätte sie selbst dann nicht mit mir geredet, wenn sie gekonnt hätte. Die Wolken waren aufgerissen und hatten einer milden Wintersonne Platz gemacht.
    In Papas Werkstatt roch es ein bisschen verbrannt. Er lötete an einer Platine und hörte dabei ein Klavierkonzert. Schumann, wenn ich mich nicht irrte. Als ich hereinkam, machte er den Lötkolben aus und drehte die Musik leiser. Ich zog mir einen Stuhl heran. »Lernen wir sie kennen, Richard und ich?« Papa lächelte. »Wenn ihr wollt. Sina würde sich freuen. Für sie ist das alles auch nicht einfach. Ich hätte sie euch heute gern vorgestellt, aber eure Mutter … na ja, sie braucht noch Zeit. Sina lebt in Berlin. Ich gebe dir ihre E-Mail-Adresse.«
    »Kann ich dich noch etwas fragen?« – »Frag nur, Kind.« – »Hast du damals überlegt, Mama zu verlassen?« Er sah mich lange an. »Nein. Damals nicht. Damals war sie noch anders.« Klar, vor knapp zwanzig Jahren hatte sie noch kein Geld und keinen barocken Gutshof. »Das mit Marlene, also mit Sinas Mutter, das war nichts Ernstes.« Er lächelte verschämt. »Das war einfach nur Sex. Hätte selbst nicht gedacht, dass mir so etwas passiert. Und ich bin auch nicht stolz drauf.« – »Und jetzt? Glaubst du wirklich, dass Mama Sina akzeptieren wird?« – »Ich weiß es nicht. Ich hoffe es. Wenn nicht, nun, dann werde ich gehen.« Er schaltete den Lötkolben wieder an. »Stört es dich, wenn ich weitermache?« Ich sah ihm zu, wie er mit ruhiger Hand filigrane Lötpunkte setzte. Als Kind hatte ich oft in Papas Werkstatt gesessen, ihm zugeschaut und gemeinsam mit ihm klassische Musik gehört. Andere Bilder aus meiner Kindheit tauchten auf. Wir vier an der Nordsee, in einem total verregneten Zelturlaub. Mama in einem getupften Kleid mit weit schwingendem Rock, die mit Richard über eine Wiese tobte. Wir alle zusammen beim Baden am Dülmener See. Mama und Papa bei ihrer Silberhochzeit. Nicht mehr lange, dann könnten sie die goldene feiern. Es schien mir unvorstellbar, dass sie sich trennten. Plötzlich fand ich das Klavierkonzert im Hintergrund unerträglich romantisch.
    »Was ist mit dir und Knut?« Papas Stimme holte mich aus meinen Gedanken. – »Er möchte, dass wir es noch mal versuchen.« – »Und? Was möchtest du?« Er hatte seine Arbeit beendet und schaute mich aufmerksam an. – »Ich hab Angst.« Der kleine Satz flatterte durch den Raum wie ein verirrter Schmetterling. Wo kam der plötzlich her? Seit drei Tagen verfolgte mich Knuts hoffnungsvoller Blick. Genauso lange versuchte ich schon, meinen Gefühlen auf die Spur zu kommen. Ich hatte Knut keine Antwort geben können und um Bedenkzeit gebeten. Und jetzt, aus dem Nichts, war da dieser kleine, klare Satz.
    »Wovor hast du Angst, meine Kleine?« Es war, als wäre ich plötzlich wieder zehn Jahre alt und Papa würde mir gleich erklären, dass Spinnen sehr schöne und nützliche Tiere sind, vor denen man sich nicht fürchten muss. – »Er sagt, er will sich ändern. Er liest ein Buch über Paargespräche. Ausgerechnet Knut. Ich find das ja süß, aber was kann das bringen? Wir sind fast fünfzig, da ändert man sich doch nicht mehr. Ich hab Angst, dass wir in spätestens zwei Jahren wieder genauso sprachlos auf dem Sofa sitzen wie früher.« Wenigstens wäre es ein anderes Sofa, dachte ich albernerweise. – »Aber du liebst ihn noch?« – »Ich weiß nicht. Ich vermisse ihn. Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich mit ihm rede, obwohl er gar nicht da ist. Aber woher soll ich wissen, ob das was mit Liebe zu tun hat? Vielleicht kann ich nur schlecht allein sein.« – »Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz.« – »Papa!« – »Guck nicht so, das ist von Luther.« – »Und was willst du damit sagen?« – »Lass dich nicht von Angst bestimmen, finde es einfach raus. Was riskierst du schon? Im schlimmsten Fall trennt ihr euch eben noch mal. Und jetzt lass uns wieder rübergehen, ich habe Hunger. Außerdem will ich nicht auch noch eine Stimmbandentzündung kriegen.«
    Ich nahm noch am selben Abend den Zug zurück. Richard brachte mich zum Bahnhof. »Was denkst du? Verkraften die beiden das?«, fragte er, sobald wir im Auto saßen. Ich dachte an das Gespräch mit meinem Vater und an Mutters verkniffene Miene. »Ich weiß es nicht.«
    In Münster stieg ich
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