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Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II
Autoren: Benedikt XVI
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zurück: Der Lobpreis dieser Kinder erscheint im Licht von Psalm 8 als eine Vorwegnahme der Lobpreisung, die seine „Kleinen“ auf ihn anstimmen werden weit über diese Stunde hinaus.
     
    Insofern konnte die werdende Kirche mit gutem Recht in dieser Szene im Voraus dargestellt finden, was sie in ihrer Liturgie tut. Schon in dem ältesten nachösterlichen liturgischen Text, den wir kennen – in der
Didachē
(um 100) – erscheint vor der Verteilung der heiligen Gaben das Hosanna zusammen mit dem Maranatha: „Es komme die Gnade und es vergehe diese Welt. Hosanna dem Gott Davids. Wenn einer heilig ist, trete er herzu; wenn einer es nicht ist, kehre er um. Maranatha. Amen“ (10,6).
    Sehr früh ist auch das
Benedictus
in die Liturgie eingegangen: Für die werdende Kirche war der „Palmsonntag“ nichts Vergangenes. Wie der Herr damals auf dem Esel in die Heilige Stadt einzog, so sah ihn die Kirche in der demütigen Gestalt von Brot und Wein immer neu kommen.
    Die Kirche begrüßt den Herrn in der heiligen Eucharistie als den, der jetzt kommt, der in ihre Mitte getreten ist. Und sie begrüßt ihn zugleich als den, der immerfort der Kommende bleibt und uns auf sein Kommen zuführt. Als Pilger gehen wir auf ihn zu; als Pilger kommt er uns entgegen und nimmt uns mit in seinen „Aufstieg“ zu Kreuz und Auferstehung, auf das endgültige Jerusalem zu, das in der Gemeinschaft mit seinem Leib schon mitten in dieser Welt wächst.

DIE TEMPELREINIGUNG
     
     
    M arkus erzählt uns, dass Jesus nach dieser Begrüßung in den Tempel ging, sich alles ansah, und, da es spät geworden war, sich nach Bethanien begab, wo er während jener Woche wohnte. Am nächsten Tag trat er erneut in den Tempel ein und begann, die Händler und Käufer daraus zu vertreiben; „er stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler um“ (11,15).
    Jesus begründet dieses sein Tun mit einem Wort aus Jesaja, das er mit einem Jeremia-Wort ergänzt: „Mein Haus soll ein Haus des Gebets sein für alle Völker. Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht“ (Mk 11,17; vgl. Jes 56,7; Jer 7,11). Was hat er da getan? Was hat er sagen wollen?
     
    In der exegetischen Literatur sind drei große Deutungsrichtungen erkennbar, die wir kurz bedenken müssen.
    Da ist zunächst die These, dass die Tempelreinigung keinen Angriff auf den Tempel als solchen bedeutete, sondern nur Missbräuche traf. Gewiss, die Händler waren autorisiert von der jüdischen Behörde, die daraus reichen Gewinn zog. Insofern war das Handeln der Geldwechsler und Viehhändler legal innerhalb der bestehenden Ordnungen; es lag ja auch nahe, den Wechsel von den gängigen römischen Münzen, die ob des Kaiserbildes als Götzendienst gelten mussten, in die Tempelwährung eben im weiten Vorhof der Heiden selbst zu vollziehen und hier auch die Opfertiere anzubieten. Aber diese Vermengung von Tempel und Geschäft entsprach nicht dem,wozu der Vorhof der Heiden von der Anlage des Tempels her bestimmt war.
    Jesus griff mit seinem Tun die von der Tempelaristokratie verfügte bestehende Ordnung an, aber er verstieß nicht gegen Gesetz und Propheten – im Gegenteil: Er brachte gegen eine im Tiefsten korrupte, zum „Recht“ gewordene Praxis das eigentliche und wahre Recht, das Gottesrecht Israels, zur Geltung. Nur so erklärt es sich, dass weder die Tempelpolizei noch die in der Burg Antonia bereitstehende römische Kohorte einschritt. Die Autoritäten des Tempels begnügten sich damit, Jesus die Frage nach seiner Vollmacht für solches Handeln zu stellen.
    In diesem Sinn ist die besonders von Vittorio Messori eingehend begründete These richtig, dass Jesus bei der Tempelreinigung im Einklang mit dem Gesetz handelte und einem Missbrauch des Tempels wehrte. Wenn man allerdings daraus schließen würde, dass Jesus „wie ein bloßer Reformer erscheint, der jüdische Heiligkeitsvorschriften verteidigt“ (so Eduard Schweizer, zit. nach Pesch,
Markusevangelium
II, S.   200), dann wird man der Bedeutung des Vorgangs nicht gerecht. Die Worte Jesu zeigen, dass sein Anspruch tiefer reichte, gerade auch weil er mit seinem Handeln Gesetz und Propheten erfüllen wollte.
     
    So kommen wir zu einer zweiten, konträren Auslegung – der politisch-revolutionären Interpretation des Vorgangs. Schon in der Aufklärung hatte es Versuche gegeben, Jesus als politischen Aufrührer zu deuten. Aber erst das in zwei Bänden erschienene Werk
Iesous basileus ou basileusas
von Robert Eisler (Heidelberg
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