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Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II
Autoren: Benedikt XVI
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Verheißenen geworden. So ist es aus einem Pilgersegen zu einem Lobpreis Jesu geworden, der als der im Namen des Herrn Kommende, als der von allen Verheißungen Erwartete und Angekündigte gegrüßt wird.
    Die besondere davidische Note, die sich im Markus-Text allein findet, gibt uns vielleicht am ursprünglichsten die Erwartung der Pilger jener Stunde wieder. Lukas, der für Heidenchristen schreibt, hat das Hosanna und den Bezug auf David hingegen ganz weggelassen und durch den an Weihnachten anklingenden Ruf ersetzt: „Friede im Himmel und Herrlichkeit in der Höhe!“ (19,38; vgl. 2,14). Aus allen drei synoptischen Evangelien, aber auch aus Johannes geht deutlich hervor, dass sich die Szene der messianischen Huldigung für Jesus am Eingang der Stadt abgespielt hat und dass ihr Träger nicht das Volk von Jerusalem gewesen ist, sondern die Begleitung Jesu, die mit ihm zusammen in die Heilige Stadt eintrat.
    Am nachdrücklichsten gibt uns dies Matthäus zu erkennen, der im Anschluss an den Bericht vom Hosanna für Jesus, den Davidssohn, so fortfährt: „Als er in Jerusalem einzog, geriet die ganze Stadt in Aufregung. Und man fragte: Wer ist das? Die Leute sagten: Das ist der Prophet Jesus von Nazareth aus Galiläa“ (Mt 21,10f). Die Parallele zur Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland istunverkennbar. Auch damals wusste man in der Stadt Jerusalem von dem neugeborenen König der Juden nichts; die Nachricht darüber setzte Jerusalem „in Verwirrung“ (Mt 2,3). Jetzt „erschrickt“ man: Matthäus gebraucht das Wort
eseísthē (seíō)
, das man für die Erschütterung durch ein Erdbeben verwendet.
    Von dem Propheten aus Nazareth hatte man irgendwie gehört, aber er schien Jerusalem nichts anzugehen, man kannte ihn nicht. Die Menge, die Jesus am Stadtrand huldigte, ist nicht dieselbe Menge, die seine Kreuzigung forderte. In dieser doppelten Nachricht vom Nichterkennen Jesu, das Gleichgültigkeit und Erschrecken zugleich ist, deutet sich schon etwas von der Tragödie der Stadt an, die Jesus mehrmals, am schärfsten in seiner eschatologischen Rede, angekündigt hat.
    Bei Matthäus gibt es aber auch ein anderes wichtiges Sondergut über die Aufnahme Jesu in der Heiligen Stadt. Nach der Tempelreinigung wiederholen Kinder im Tempel die Worte der Huldigung: „Hosanna dem Sohne Davids!“ (21,15). Jesus verteidigt gegen „die Hohepriester und Schriftgelehrten“ den Jubelruf der Kinder mit Hinweis auf Ps 8,3: „Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob.“ Wir werden auf diese Szene bei der Besprechung der Tempelreinigung noch einmal zurückkommen. Versuchen wir hier, zu verstehen, was Jesus mit dem Hinweis auf Psalm 8 sagen wollte, mit dem er eine weite, heilsgeschichtliche Perspektive aufriss.
    Was er meinte, wird deutlich, wenn wir uns an die von allen synoptischen Evangelisten berichtete Geschichte erinnern, in der Kinder zu Jesus gebracht wurden, „damit er sie berühre“. Gegen den Widerstand der Jünger, die ihn vor dieser Zudringlichkeit schützen möchten, ruft Jesusdie Kinder zu sich, legt ihnen die Hände auf und segnet sie. Er erläutert diese Gebärde mit den Worten: „Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Das Reich Gottes ist für solche. Amen, das sage ich euch: Wer das Reich Gottes nicht aufnimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen“ (Mk 10,13   –   16). Die Kinder stehen bei Jesus exemplarisch für jenes Kleinsein vor Gott, das notwendig ist, damit man durch das „Nadelöhr“ eintreten kann, von dem in der unmittelbar anschließenden Geschichte über den reichen Jüngling die Rede ist (Mk 10,17   –   27).
    Vorausgegangen war die Szene, in der Jesus auf den Rangstreit der Jünger geantwortet hatte, indem er ein Kind in ihre Mitte stellte, es in seine Arme nahm und sagte: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf   …“ (Mk 9,33   –   37). Jesus identifiziert sich mit dem Kind – er selbst ist klein geworden. Als Sohn tut er nichts von sich aus, sondern handelt ganz vom Vater her und auf ihn hin.
    Von da aus versteht man dann wieder die nachfolgende Perikope, in der nicht mehr von Kindern, sondern von „den Kleinen“ die Rede ist und das Wort „die Kleinen“ geradezu zur Bezeichnung der Glaubenden, der Jüngergemeinschaft Jesu Christi wird (Mk 9,42). Im Glauben haben sie dieses wahre Kleinsein gefunden, das den Menschen in seine Wahrheit führt.
    Damit kommen wir wieder auf das Hosanna der Kinder
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