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Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II
Autoren: Benedikt XVI
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Hinaufgehen zu dem nicht mehr von Menschenhand gemachten Zelt, das heißt in den Himmel selbst, vor Gottes Angesicht (9,24). DieserAufstieg vor Gottes eigenes Angesicht führt über das Kreuz – es ist der Aufstieg zur „Liebe bis ans Ende“ (vgl. Joh 13,1), die der eigentliche Gottesberg ist.
     
    Das unmittelbare Ziel des Pilgerweges Jesu ist freilich Jerusalem, die Heilige Stadt mit ihrem Tempel, und das „Pascha der Juden“, wie Johannes es nennt (2,13). Jesus war mit den Zwölfen aufgebrochen, aber allmählich hatte sich eine immer größer werdende Pilgerschar dazugesellt; Matthäus und Markus erzählen uns, dass beim Weggehen von Jericho es schon „viel Volk“ war, das Jesus folgte (Mt 20,29; Mk 10,46).
    Ein Ereignis auf diesem letzten Wegstück steigert die Erwartung des Kommenden und rückt Jesus ganz neu ins Blickfeld der Wandernden. Am Weg sitzt ein blinder Bettler, Bartimäus. Er erfährt, dass Jesus unter den Pilgern sei, und nun hört er nicht mehr auf zu rufen: „Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!“ (Mk 10,47). Man sucht ihn zu beruhigen, aber es nützt nichts, und schließlich ruft ihn Jesus herbei. Auf seine Bitte: „Rabbuni, ich möchte wieder sehen können“, antwortet Jesus: „Geh! Dein Glaube hat dir geholfen.“
    Bartimäus konnte wieder sehen, „und er folgte Jesus auf seinem Weg“ (Mk 10,48   –   52): Er pilgerte, sehend geworden, mit nach Jerusalem. Das Thema David und die ihm innewohnende messianische Hoffnung griff nun auf die Menge über: War der Jesus, mit dem sie zogen, nicht vielleicht wirklich der erwartete neue David; war mit seinem Einzug in die Heilige Stadt die Stunde gekommen, in der er das Reich Davids wiederherstellen würde?
     
    Die Vorbereitung, die Jesus mit seinen Jüngern trifft, verstärkt diese Hoffnung. Jesus kommt von Bethphage und Bethanien her zum Ölberg, von wo aus man den Einzug des Messias erwartet. Er schickt zwei Jünger voraus, denen er sagt, sie würden einen Esel angebunden finden, ein Jungtier, auf dem noch niemand gesessen hat. Sie sollen es losbinden und es zu ihm bringen; auf eine etwaige Frage nach ihrer Legitimierung sollen sie sagen: „Der Herr bedarf seiner“ (Mk 11,3; Lk 19,31). Die Jünger finden den Esel, werden – wie vorhergesehen – nach ihrem Recht gefragt, geben die ihnen aufgetragene Antwort, und man lässt sie gewähren. So zieht Jesus in die Stadt ein auf einem geliehenen Esel, den er gleich hernach seinem Besitzer zurückgeben lässt.
    Dem heutigen Leser mag dies alles ziemlich harmlos erscheinen, aber für die jüdischen Zeitgenossen Jesu ist es voll geheimnisvoller Bezüge. In allem ist das Motiv des Königtums und seiner Verheißungen anwesend. Jesus nimmt das in der ganzen Antike bekannte Königsrecht der Requisition von Transportmitteln in Anspruch (vgl. Pesch,
Markusevangelium
II, S.   180). Auch dass es sich um ein Tier handelt, auf dem noch niemand gesessen hat, verweist auf königliches Recht. Vor allem aber klingen jene alttestamentlichen Worte an, die dem ganzen Vorgang seine tiefere Bedeutung geben.
    Da ist zunächst Gen 49,10f – der Jakobssegen, in dem Juda das Zepter zugesprochen wird, der Herrscherstab, der von seinen Füßen nicht weichen werde, „bis der kommt, dem er gehört, dem der Gehorsam der Völker gebührt“. Von ihm wird gesagt, dass er am Rebstock seinen Esel festbindet (49,11). Der angebundene Esel verweist so auf den Kommenden, dem „der Gehorsam der Völker gebührt“.
    Noch wichtiger ist Sach 9,9 – der Text, den Matthäus und Johannes ausdrücklich zum Verstehen des „Palmsonntags“ zitieren: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist sanftmütig (milde), und er reitet auf einer Eselin – auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers“ (Mt 21,5; vgl. Sach 9,9; Joh 12,15). Die Bedeutung dieser Prophetenworte für das Verstehen der Gestalt Jesu haben wir bei der Auslegung der Seligpreisungen für die Milden (die Sanftmütigen) schon ausführlich bedacht (vgl. Teil I, S.   109   –   114). Er ist ein König, der die Kriegsbogen zerbricht, ein König des Friedens und ein König der Einfachheit, ein König der Armen. Und schließlich haben wir gesehen, dass er über ein Reich herrscht, das von Meer zu Meer geht und die ganze Welt umspannt (vgl. ebd., S.   111); wir wurden dabei an das neue weltumfassende Reich Jesu erinnert, das sich in den Gemeinschaften des Brotbrechens, in der Gemeinschaft Jesu Christi, von Meer zu Meer als Reich seines
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