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Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II
Autoren: Benedikt XVI
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1929   /   30) hat konsequent vom Ganzen des neutestamentlichen Befundes her darzustellenversucht, dass „Jesus ein politischer Revolutionär apokalyptischen Gepräges gewesen sei, der in Jerusalem einen Aufruhr verursacht habe und von den Römern verhaftet und hingerichtet worden sei“ (so Hengel,
War Jesus Revolutionär?,
S.   7). Das Buch erregte ungeheures Aufsehen, kam aber in der besonderen Situation der 30er Jahre noch nicht zu nachhaltiger Wirkung.
    Erst in den 60er Jahren hatte sich das geistige und politische Klima gebildet, in dem eine solche Vision zündende Kraft entfalten konnte. Nun war es Samuel George Frederick Brandon, der in seinem Werk
Jesus and the Zealots
(New York 1967) der Auslegung Jesu als eines politischen Revolutionärs ihre scheinbare wissenschaftliche Legitimation lieferte. Jesus wird damit in die Linie der zelotischen Bewegung gerückt, die in dem Priester Pinhas, einem Enkel Aarons, ihre biblische Begründung sah: Pinhas hatte einen Israeliten, der sich mit einer Götzendienerin eingelassen hatte, mit einem Speer durchbohrt. Er galt nun als Vorbild der „Eiferer“ für das Gesetz, für die Verehrung Gottes allein (Num 25).
    Ihren konkreten Ursprung sah die zelotische Bewegung in der Initiative des Vaters der makkabäischen Brüder, Mattathias, der gegenüber dem Versuch, Israel ganz in die hellenistische Einheitskultur einzuebnen und ihm damit auch seine religiöse Identität zu rauben, bekannte: „Wir gehorchen den Vorschriften des Königs nicht, und wir weichen weder nach rechts noch nach links von unserer Religion ab“ (1   Makk 2,22). Dieses Wort leitete den Aufstand gegen die hellenistische Diktatur ein. Mattathias übersetzte sein Wort in eine Tat: Er tötete den Mann, der der Weisung der hellenistischen Behörden folgend öffentlich den Göttern opfern wollte. „Als Mattathias dassah, packte ihn leidenschaftlicher Eifer   … Er sprang vor und erstach den Abtrünnigen über dem Altar   … Der Eifer für das Gesetz hatte ihn gepackt“ (1   Makk 2,24ff). Von da an war das Stichwort „Eifer“ (griechisch:
zēlos
) das Leitwort für die Bereitschaft, mit Gewalt für den Glauben Israels einzutreten, Israels Recht und Freiheit auf dem Weg der Gewalt zu verteidigen.
    In diese Linie des „Zelos“ der Zeloten gehöre Jesus hinein – so die These Eislers und Brandons, die in den 60er Jahren zu einer Welle von Revolutions- und politischen Theologien geführt hat. Als zentraler Beweis dieser These fungiert nun die Tempelreinigung, die eindeutig ein Gewaltakt gewesen sei und gar nicht ohne Gewalt habe ablaufen können, wenngleich die Evangelisten dies zu verdecken gesucht hätten. Auch die Begrüßung Jesu als Davidssohn und Hersteller des davidischen Reiches sei ein politischer Akt gewesen, und die Kreuzigung Jesu durch die Römer unter dem Anklagetitel „König der Juden“ beweise vollends, dass er Revolutionär   – Zelot – gewesen sei und als solcher hingerichtet wurde.
    Inzwischen ist die Welle der Theologien der Revolution abgeflaut, die, von einem zelotisch gedeuteten Jesus her, Gewalt als Mittel zur Errichtung der besseren Welt – des „Reiches“ – zu legitimieren versucht hatten. Die grausamen Folgen religiös motivierter Gewalt stehen zu drastisch vor unser aller Augen. Gewalt richtet das Reich Gottes, das Reich der Menschlichkeit nicht auf. Sie ist ganz umgekehrt ein Lieblingsinstrument des Antichrist – wie religiös idealistisch sie auch motiviert sein mag. Sie dient nicht der Menschlichkeit, sondern der Unmenschlichkeit.
     
    Aber wie ist es nun mit Jesus? War er Zelot? War die Tempelreinigung Auftakt einer politischen Revolution? Jesu ganzes Wirken und seine Botschaft – von den Versuchungen in der Wüste, seiner Taufe im Jordan, der Bergpredigt bis zum Gleichnis vom Weltgericht (Mt 25) und bis zu seiner Antwort auf das Petrusbekenntnis – stehen dem radikal entgegen, wie wir im ersten Teil dieses Werkes gesehen haben.
    Nein, der gewaltsame Umsturz, das Töten anderer im Namen Gottes war nicht seine Art. Sein „Eifer“ für das Reich Gottes ist ganz anders gewesen. Wir wissen nicht, was genau die Pilger sich vorstellten, als sie bei ihrer „Inthronisierung“ Jesu vom „kommenden Reich unseres Vaters David“ sprachen. Aber was Jesus selber dachte und wollte, hat er mit seinen Gesten und den prophetischen Worten, in deren Zusammenhang er sich stellte, sehr deutlich gemacht.
    Gewiss, der Esel war zu Davids Zeiten Ausdruck für dessen
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