Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II
Autoren: Benedikt XVI
Vom Netzwerk:
aufrichten“ (2,19). Jesus hat mit diesem Wort auf die Forderung der jüdischen Behörde nach einem Zeichen geantwortet, mit dem er seine Legitimation für einenAkt wie die Tempelreinigung beweisen sollte. Sein „Zeichen“ ist Kreuz und Auferstehung. Das Kreuz und die Auferstehung legitimieren ihn als denjenigen, der den rechten Kult herstellt. Jesus rechtfertigt sich durch seine Passion – das Jona-Zeichen, das er Israel und der Welt gibt.
    Aber das Wort reicht tiefer. Mit Recht sagt Johannes, dass die Jünger erst nach der Auferstehung in ihrem Erinnern – in dem vom Heiligen Geist erleuchteten Erinnern der Jüngergemeinschaft, der Kirche – das Wort in seiner ganzen Tiefe verstanden.
    Die Ablehnung Jesu, seine Kreuzigung, bedeutet zugleich das Ende dieses Tempels. Die Zeit des Tempels ist vorbei. Ein neuer Kult kommt in einem nicht von Menschen gebauten Tempel. Dieser Tempel ist sein Leib – der Auferstandene, der die Völker sammelt und im Sakrament seines Leibes und Blutes eint. Er selbst ist der neue Tempel der Menschheit. Die Kreuzigung Jesu ist zugleich das Abbrechen des alten Tempels. Mit seiner Auferstehung beginnt eine neue Weise, Gott zu verehren, nicht mehr auf diesem oder jenem Berg, sondern „in Geist und Wahrheit“ (Joh 4,23).
     
    Wie steht es also mit dem „Zelos“ Jesu? Zu dieser Frage hat uns Johannes – gerade im Zusammenhang mit der Tempelreinigung – ein kostbares Wort geschenkt, das die Frage genau und gründlich beantwortet. Er sagt uns, dass die Jünger sich bei der Tempelreinigung daran erinnerten, dass geschrieben steht: „Der Eifer für dein Haus verzehrt mich“ (2,17). Dies ist ein Wort aus dem großen Passions-Psalm 69.   Den Beter bringt sein Leben im Wort Gottes in die Isolierung; es wird ihm Quelle von Leid, das ihm dieHasser zufügen, von denen er umgeben ist. „Hilf mir, o Gott; das Wasser reicht mir bis zur Kehle   … Denn deinetwegen leide ich Schmach   … Der Eifer für dein Haus verzehrt mich   …“ (Ps 69,2.   8.   10).
    Das Erinnern der Jünger hat in dem leidenden Gerechten Jesus erkannt: Der Eifer für Gottes Haus führt ihn in die Passion, ans Kreuz. Dies ist die grundlegende Wende, die Jesus dem Thema Eifer   – Zelos – gegeben hat. Den „Eifer“, der Gott durch Gewalt dienen wollte, hat er umgewandelt in den Eifer des Kreuzes. So hat er den Maßstab für den wahren Eifer – den Eifer der Liebe, die sich verschenkt – definitiv aufgerichtet. An diesem Eifer muss sich der Christ orientieren; darin ist die authentische Antwort auf die Frage nach dem „Zelotismus“ Jesu gegeben.
     
    Diese Auslegung bestätigt sich noch einmal in den zwei kleinen Episoden, mit denen Matthäus die Erzählung von der Tempelreinigung beschließt.
    „Im Tempel kamen Lahme und Blinde zu ihm, und er heilte sie“ (21,14). Dem Viehhandel und dem Geldgeschäft stellt Jesus seine heilende Güte entgegen. Sie ist die wahre Reinigung des Tempels. Jesus kommt nicht als Zerstörer; er kommt nicht mit dem Schwert des Aufrührers. Er kommt mit der Gabe der Heilung. Er wendet sich denen zu, die aufgrund ihrer Gebrechen an den Rand des Lebens und der Gesellschaft gedrängt werden. Er zeigt Gott als den Liebenden und seine Macht als Macht der Liebe.
    Alledem entspricht es dann auch, dass die Kinder den Hosanna-Ruf wiederholen, den ihm die Großen versagen (Mt 21,15). Von diesen „Kleinen“ wird ihm allezeit das Lob kommen (vgl. Ps 8,3) – von denen her, die mit reinemund unverstelltem Herzen sehen können und die offen sind für seine Güte.
    So kündigt sich in diesen zwei kleinen Begebenheiten der neue Tempel an, den zu bauen er gekommen ist.

2.   KAPITEL
DIE
ESCHATOLOGISCHE
REDE JESU
     

D er heilige Matthäus überliefert uns am Schluss der Wehe-Rufe Jesu über Schriftgelehrte und Pharisäer, also im Kontext der nach dem Einzug in Jerusalem gehaltenen Reden, ein geheimnisvolles Wort Jesu, das bei Lukas seinen Platz mitten im Unterwegssein Jesu zur Heiligen Stadt gefunden hat: „Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt. Darum wird euer Haus verlassen   …“ (Mt 23,37f; Lk 13,34f). In diesen Sätzen erscheint zunächst die tiefe Liebe Jesu zu Jerusalem, sein leidenschaftliches Ringen um das Ja der Heiligen Stadt zu der Botschaft, die er auszurichten hat und mit der er sich in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher