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Jerry Cotton - 0564 - Der Mann mit der roten Peruecke

Jerry Cotton - 0564 - Der Mann mit der roten Peruecke

Titel: Jerry Cotton - 0564 - Der Mann mit der roten Peruecke
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ein Zug sich näherte. Lindsay hatte die Fahrpläne nicht studiert. U-Bahn-Züge, lieber Himmel, fuhren doch alle paar Minuten.
    Er hatte sich ein wenig verrechnet. Auf dem Bahnsteig, auf dem er stand, fuhr nach neun Uhr nur noch alle zwölf Minuten ein Zug. Der letzte vor ihm war gerade abgefahren, als er in der Bank den Filialleiter niederschlug.
    Lindsay wurde nervös. Er zwang sich äußerlich zur Ruhe, aber innerlich stieg seine Unruhe von Sekunde zu Sekunde. Er hatte die Tasche mit dem Geld bei sich. Und er hatte schließlich selber das FBI alarmiert. Was sollte er mit der verdammten Tasche anfangen, wenn die Polizei früher kam als der Zug?
    Schweiß trat ihm auf die Stirn und die kahle Glatze. Er zog ein Tuch aus der Hosentasche und wischte sich den Kopf ab. Nie in seinem Leben hatte er jede Kleinigkeit um sich herum so deutlich wahrgenommen. Der fette alte Mann dort neben der Passage, aus der Lindsay gekommen war, starrte der ihn nicht auffällig an? Ahnte der Kerl irgend etwas?
    Mach dich nicht selbst verrückt, sagte sich Lindsay. Was soll er ahnen? Und wenn er dich wirklich anstarrt — vielleicht findet er eben irgendwas an dir sehenswert. Es gibt doch Leute, die immer wieder andere anstarren, als ob sie sie fressen wollten. Laß dich bloß nicht aus der Ruhe bringen.
    Er sah auf seine Uhr. Er begann zu rechnen. Es mußten inzwischen acht Minuten vergangen sein. Verflucht noch mal, warum kam denn der Zug nicht?
    Plötzlich krachte es. Ein Schuß. Lindsay fuhr zusammen. Aber fast alle anderen rings um ihn erschraken ebenso. Ein zweiter Schuß krachte und hallte von der gewölbten Decke wieder. Und noch einmal ein Knall.
    Jetzt bin ich geliefert, schoß es Lindsay durch den Kopf. Die richtigen Cops sind schon da-, drüben auf der anderen Seite des Bahnsteigs, und ich stehe hier mit der heißen Tasche. Verflucht, warum bin ich nicht abgehauen, ohne mir den Witz mit der Polizei zu leisten. Oder warum habe ich die Kerle nicht erst angerufen, als ich schon weg war? Das hast du jetzt davon, du Neunmalkluger. Mußtest ja gleich alles ganz perfekt regeln. Statt dich darum zu kümmern, wie du ungesehen und schnell verschwinden kannst.
    Von der anderen Seite des Bahnsteigs, nur getrennt von der Kioskreihe, die sich in der Mitte hinzog, ertönten Schreie und Lärm. Das laute Trappeln hastiger Schritte hallte wider.
    Ob ich jetzt noch versuchen kann, die Treppe hinaufzukommen? fragte sich Lindsay. Nein, das war unmöglich. Die wurden doch sicher als erstes abgeriegelt. Lindsay reckte den Kopf vor und starrte den Schienenstrang entlang in die dunkel gähnende Tunnelmündung hinein. Warum tauchten nicht endlich die Signallampen rechts und links oben am Stirnwagen auf? Warum sah er nicht endlich das Abteil des Triebwagenführers in dem sich nähernden Zug? So lange konnte es doch nicht dauern, bis hier ein Zug abfuhr.
    Das laute Kreischen von Bremsen ließ Lindsay herumfahren. Drüben, auf der anderen Bahnsteigseite, dort, wo die Bankfiliale lag, war ein Zug eingefahren. Es war zum Brüllen. Dort kam ein Zug — und hier stand er und starrte in einen schwarzen Tunnel, aus dem kein Zug kommen wollte. Aber er konnte doch jetzt nicht hinüber auf die andere Seite! Die Kerle in den gestohlenen Uniformen würden ihn doch auf Anhieb erkennen. Wieso denn? Jetzt, da er seine Perücke abgezogen hatte? Und sie wußten doch gar nicht, daß er überhaupt eine Perücke getragen hatte.
    In Lindsays Kopf begann sich die Furcht allmählich zur Panik zu steigern. Als er kurz vor einer Kurzschlußreaktion stand, rollte der Zug heran. Lindsay konnte es kaum fassen. Aber da war er, der Zug, der seine Rettung gewesen wäre, wenn er nur ein paar Minuten früher gekommen wäre. Die, Leute auf dem Bahnsteig gerieten in Bewegung. Alle drängten auf die sich öffnenden Türen zu. Für ein paar Sekunden gab es das übliche Gedrängel zwischen den Aus- und Einsteigenden.
    Lindsay schob sich ins nächstbeste Abteil. Er sah Frauen mit Einkaufstaschen, Männer mit und ohne Aktentaschen, junge Burschen mit Zeitungen oder knallbunten Magazinen und Mädchen mit aufreizend kurzen Kleidern. Lindsays Blick glitt über die Fensterreihen und die Sitze entlang. Wo, wo um alles in der Welt konnte er die Tasche mit dem Geld verstecken, bis der Zug aus dieser Station heraus war?
    Fast am Ende der Sitzreihe quengelte ein Knirps von fünf oder sechs Jahren. Die Mutter sprach begütigend auf ihn ein. Der Junge stampfte mit dem Fuß auf und greinte noch lauter.
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