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Jerry Cotton - 0564 - Der Mann mit der roten Peruecke

Jerry Cotton - 0564 - Der Mann mit der roten Peruecke

Titel: Jerry Cotton - 0564 - Der Mann mit der roten Peruecke
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ging, die zu den verschiedenen Bahnsteigen führten. Im Tunnel unter den Bahnsteigen waren große Toilettenräume und Waschanlagen untergebracht.
    »Bleib vor den Damentoiletten stehen, Phil«, sagte ich. »Ich werfe mal einen Blick in den großen Waschraum für Gentlemen.«
    Mein Freund nickte, steckte sich eine neue Zigarette an und schlenderte vor der Tür mit der Aufschrift »Ladys« auf und ab. Dies alles sah für uns noch nach alltäglicher Routine aus. Noch wußten wir ja nichts vom Schicksal des Lieutenants und von dem Überfall auf die Bank.
    Eine breite Schwingtür führte in den kurzen, aber breiten Flur, der allein von Männern betreten werden durfte. Links gab es eine zweiflügelige Milchglastür, die zu dem riesigen gekachelten Raum führte, in dem ungefähr fünfzig Waschbecken in einer Reihe angebracht waren. Wenn man diesen Raum durchquerte, kam man zu den zehn oder zwölf Duschkabinen und einem Dutzend Zellen mit Wannenbädern. Vorn in der Mitte stand der große Thron eines Schuhputzers. Daneben hatte ein geschäftstüchtiger Bursche von etwa fünfzehn Jahren ein paar Stapel Morgenzeitungen auf getürmt. Wer sich die Schuhe putzen ließ, mußte ja Zeit haben, eine Zeitung zu lesen. Ich überzeugte mich mit einem raschen Blick, daß hier unten nichts für uns zu holen war. An den Waschbecken standen ein paar halb entkleidete Männer, die sich prustend den Schlaf aus den Augen wuschen. Einige von ihnen standen nicht ganz sicher auf den Beinen. Vielleicht hatten sie eine Nacht lang das hektische Vergnügungsleben am Broadway oder im Village studiert und wollten sich jetzt ein wenig frisch machen, bevor sie in ihr Office fuhren. Nicht ein einziger von ihnen machte den Eindruck, als könnte er zu einer Bande von jugendlichen Rowdys gehören.
    Ich machte kehrt. Von draußen steckte Phil den Kopf in den Flur und rief mich. Ich trat wieder hinaus in den Tunnel. Neben Phil stand eine weinende junge Frau von höchstens sechsundzwanzig Jahren.
    »Ihr Söhnchen hat sich selbständig gemacht, Jerry«, erläuterte Phil. »Er ist fünf Jahre alt und trägt eine rotkarierte Joppe. Sieh doch mal in den Toiletten nach.«
    »Gemacht«, sagte ich und schob mich wieder durch die Schwingtür. In dem breiten kurzen Flur roch es nach scharfen Desinfektionsmitteln. An den Wänden hingen Automaten für Taschentücher, für Haarwasser, für Kölnisch Wasser und andere Toilettenbedürfnisse. Ich ging den Flur hinab bis zu der breiten Schwingtür, die nach rechts zu den eigentlichen Toiletten führte. Am Türknauf baumelte ein Schild: »Wegen Reinigung geschlossen — bitte benutzen Sie die Toiletten im oberen Geschoß.«
    Ich wollte schon umkehren, als mir einfiel, daß ein Fünfjähriger ja nicht lesen kann. Also schob ich die Schwingtür auf.
    Und da standen sie. Acht junge Burschen und ein Mädchen. Keiner älter als höchstens sechzehn Jahre. Und alle von dieser seltsamen Uniformierungswut gepackt: sie trugen die gleichen blauen Jeans, die gleichen knallroten Hemden und die gleichen schwarzen Nylonjoppen. Auf dem Rücken stand darüber »Die hungrigen Löwen«. Selbst das Mädchen trug diese Kostümierung. Im Augenblick waren die hungrigen Löwen damit beschäftigt, einen Stapel Geldscheine aufzuteilen.
    Sie sahen mich nicht hereinkommen, weil sie zu sehr auf ihre Beute konzentriert waren. Gleich links von der Tür, mit dem Rücken an die gekachelte Wand gelehnt, hockte ein alter weißhaariger Neger und tupfte sich den Kopf ab. Quer über den Schädel bis zur linken Schläfe lief eine Platzwunde, von der Blut über Stirn und Wange sickerte. Die Wunde zeigte deutlich den Abdruck vom Schlag mit einer Fahrradkette.
    Mein Blick wanderte von dem Neger hinüber zu den weißen Bürschchen, die noch immer vertieft waren in die Verteilung der Gelder, die sie Hausfrauen und Büroangestellten, arbeitenden Menschen aus allen Berufen abgenommen hatten.
    »Du kannst dir die Mühe sparen«, sagte ich laut und deutlich. »Diesmal wird nicht geteilt!«
    Sie befanden sich ungefähr fünfzehn Yard von mir entfernt. Aber sie fuhren zusammen, als sei mitten unter ihnen eine Bombe explodiert. Schlagartig blickten alle zu mir herüber. Ich sah junge, verkniffene, unfertige Gesichter. Ich sah ihre trotzigen Blicke, aber auch Spuren kindlicher Angst.
    Sie versuchten, sich abgebrüht und erwachsen und furchtlos zu gebärden.
    Im gleichen Augenblick entdeckte ich auch den Jungen mit der rotkarierten Joppe, der von seiner Mutter gesucht wurde. Der
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