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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu
Autoren: Gercke Stefanie
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ab. Anita hatte genug durchgemacht, und es musste für jeden offensichtlich sein, dass sie so ziemlich am Ende ihrer Kräfte war. Mit allen Mitteln würde er dafür sorgen, dass sie nicht in die Mühlen der hiesigen Polizei geriet. Über ihre Methoden hatte er zuviel gehört, als dass er ihnen traute. Mit sanftem Druck legte er ihr den Arm um die Schultern und wollte sie vom Hof geleiten.
    Aber sie machte sich heftig los. »Hör mir zu! Ich habe auf Pienaar geschossen und ihn schwer verletzt. Mir ist der Schuss einfach so losgegangen, aber das muss die Polizei erfahren …«
    Â»Na und?«, fuhr er dazwischen. »Im schlimmsten Fall war das pure Notwehr. Er hat dich angegriffen, und du hast dich gewehrt. Außerdem musstest du die Mädchen beschützen. Schließlich konntest du ja nicht wissen, dass sie sich bereits in Sicherheit befanden. Das ist eine glasklare Sachlage. Notwehr in reinster Form. Überall auf der Welt würde man das so sehen. Außerdem habe ich gesehen, dass Maurice deine Fingerabdrücke von der Pistole abgewischt hat. Es könnte dir also niemand etwas nachweisen. Und jetzt bringe ich dich nach Inqaba .« Seine
Meinung, dass es zudem weiß Gott nicht schade um den Mistkerl Pienaar war, behielt er für sich.
    Aber Anita widersetzte sich auch jetzt. Mit zusammengezogenen Brauen sah sie sich um. »Wo ist er?«
    Â»Wo ist wer?«
    Â»Der Schwarze, ein riesiger Kerl. Er stand plötzlich vor mir … mit einer Pistole in der Hand. Er hat mir das Leben gerettet. Sekunden bevor die da …« Ihre Handbewegung umfasste die toten Raubkatzen im Vorraum. »Bevor sich diese Biester über mich hermachen konnten, hat er mich buchstäblich aufs Dach geschleudert. Er war wahnsinnig stark. Oben hat er mich blitzartig hinüber auf die andere Seite gezerrt und dann wieder vom Dach heruntergestoßen, bis ich nur noch an dem Balken hing. Runter da, festhalten, nicht rauskommen, bevor alles ruhig ist, hat er mir befohlen, und dann war er weg. Spaßvogel! Glücklicherweise habe ich mich mit den Zehen an einem Mauervorsprung festklammern können, sonst wäre ich doch noch zum Appetithappen für die Löwen geworden.«
    Â»Ich habe niemand gesehen«, sagte Dirk verwirrt. »Du etwa, Lia?« Anitas Schwester schüttelte teilnahmslos den Kopf.
    Aber Anita bestand auf ihrer Behauptung. »Er muss an euch vorbeigekommen sein. Es gibt keine andere Möglichkeit.«
    Â»Auf dem Dach war er nicht, hier ist er ganz offensichtlich nicht, an uns vorbeigelaufen ist er auch nicht. Er muss er über die Bretterwand geklettert sein.«
    Â»Wir müssen ihn finden!«, beharrte sie.
    Leon mischte sich ein. »Er hat sich offenbar hier ausgekannt. Und wenn er so groß und stark war, wird ihm schon nichts geschehen sein. Da Wichtigste ist jetzt, dich nach Inqaba zu bringen.«
    Â»Die Löwen werden ihn schon nicht gefressen haben, das hätten wir mitgekriegt«, ergänzte Dirk lächelnd.
    Anita schaute noch immer zweifelnd drein. Unwillkürlich schnellte ihr Blick zum Hof, zuckte allerdings bei dem schockierenden
Anblick des abgebissenen menschlichen Beins, das in einem Buschstiefel steckte und mit einem hellblauen Kniestrumpf bekleidet in einer Blutlache lag, sofort wieder zurück. Der rötliche Haarpelz war unverkennbar. Als jetzt der Mond hinter dichten Wolken verschwand, versank der Rest der Szene gnädigerweise in tiefer Dunkelheit.
    Krampfhaft wandte sie den Kopf zur Seite und musste sekundenlang mit einem Übelkeitsanfall kämpfen. »Und Maurice?«, wisperte sie schließlich.
    Die Frage brachte Cordelia urplötzlich zur Besinnung. Sie sprang auf. »Das war sein Hemd, ich habe es erkannt. Er ist tot, oder? Aufgefressen! Mein Sohn.«
    Ihre Stimme war hart und brüchig. Kreidebleich stand sie vor Anita, das Gewehr mit beiden Händen fest umklammert. »Was ist hier wirklich passiert? Was hast du damit zu tun? Auf wen hast du geschossen? Wie ist Maurice … Hast du …?«
    Schockiert sah Anita sie an. »Nein, natürlich nicht … Cordelia, wie kannst du so was denken … Natürlich habe ich Maurice nicht … Es tut mir so leid.« Sie schluchzte auf, als die Szene noch einmal vor ihr ablief. »So furchtbar leid … Er hat gesagt, er hätte es aus Liebe für dich getan … O Gott, Cordelia.« Ihr versagte die Stimme.
    Lia bebte.
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