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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu
Autoren: Gercke Stefanie
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auszudiskutieren. Aber nicht jetzt. Dazu haben wir einfach keine Zeit mehr. Die Polizei wird gleich da sein, und ich will, dass du dann nicht mehr hier bist.«
    Anita nahm seine Hände wortlos herunter und richtete sich auf. Dirk wartete mit jagendem Herzen auf ihre Reaktion. Hinter ihm schob sich die Sonne über den Horizont. Anita schaute ins goldene Licht und gab sich dem Zauber der Geburt eines neuen Tages hin. Ohne Hast. Schweigend.
    Dirk indessen durchwanderte eine Ewigkeit, eine dunkle, stickige, höllisch schmerzende, absolute, nicht auszuhaltende Ewigkeit. Sterben konnte nicht schlimmer sein.
    Anita aber ließ sich Zeit und beobachtete, wie der Horizont sich in eine Feuerlinie verwandelte. Der Himmel schien von innen zu glühen, und die ersten Strahlen durchdrangen den Busch. Sie trafen auf einen Regentropfen, der am Blattende einer wilden Banane zitterte und bebte und Blitze sprühte wie ein kostbarer Diamant.

    Langsam schob sich die riesige goldene Sonnenscheibe über den Horizont. Es glitzerte und funkelte, und die Welt schimmerte wie eine gläserne Perle. Anita legte den Kopf in den Nacken und schaute hinauf in das endlose Blau, konnte nicht fassen, dass das Leben wieder so schön sein konnte.
    Schließlich wandte sie sich Dirk zu. Ihre Augen glänzten  – aber nicht von Tränen  –, ihre Pupillen waren zwei strahlend schwarze Sterne in einem grünblau schillernden Meer.
    Sie lachte, tief in ihrer Kehle, ein warmes, ganz und gar sinnliches Lachen, und das Gefühl, das ihm dabei über den Rücken rieselte, war das Aufregendste, was er je gespürt hatte.
    Â»In Ordnung«, flüsterte sie.

26
    A n einem jener kristallklaren, windstillen Tage im Mai, wenn die Sommerhitze gebrochen war, die Luft wie Champagner und das Wetter milde und sanft, stand Anita in Mtubatuba in Zululand vor Gericht. Dirk Konrad, Jill und Nils Rogge, Napoleon de Villiers und Flavio Schröder besetzten die erste Reihe der Zuschauerränge. Im Gerichtssaal war es heiß und staubig, und es roch nach Bohnerwachs und Papier.
    Vor dem Gebäude, in einem Straßencafé, warteten zwölf kleine, hell gekleidete Mädchen und Kira Rogge, begleitet von Marina Muro, Thabili und Dr. Thandi Kunene. Ihre Aussage war bereits unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgt.
    Leon schaute hinüber zu Anita und kaute auf seiner kalten Pfeife. Dann lehnte er sich hinüber zu seinem Freund Dirk Konrad. »Es war glasklar Notwehr, aber sie konnte es nicht lassen, oder? Sie musste zur Polizei marschieren und sich selbst anzeigen.«
    Â»Ja«, sagte Dirk.
    Â»Stur, oder?« Schräger Seitenblick, amüsiertes Lächeln in den Mundwinkeln.
    Â»Ja, sehr.«
    Â»Warum?«
    Dirk sah ihn an. »Sie will hierbleiben.«
    Â»Dacht ich’s mir«, murmelte Leon zufrieden. »Sie will ihr Buch zu Ende schreiben. Hat sie mir gesagt.«
    Mit wehender schwarzer Robe erschien jetzt der Richter. Alle erhoben sich, setzten sich wieder, und die Verhandlung begann.
    Anita wurde eingehend befragt. Vom Richter, einem gemütlich
wirkenden Mann mit mahagonifarbener Haut und seelenvollen dunklen Augen, von der Staatsanwältin, jünger und milchkaffeebraun, und von ihrem eigenen Anwalt, einem aristokratisch aussehenden Weißen aus Durban, auf den Dirk bestanden hatte.
    Als die Befragung beendet war, erhob sich die Staatsanwältin zum Plädoyer. Atemlose Stille senkte sich über den Saal, niemand hustete, niemand räusperte sich. Eine fallende Stecknadel hätte man hören können oder den Staub, der im Sonnenlicht tanzte. Die Staatsanwältin sah Anita kurz an, dann wandte sie sich dem Richter zu, wie es das Protokoll verlangte.
    Â»Es war eindeutig Notwehr«, begann sie ihr Plädoyer.
    Â 
    Der Rest ging im Triumphschrei der Zuschauer in der ersten Reihe unter.

Copyright © 2011 by Stefanie Gercke
    Deutsche Erstausgabe im Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Satz: Leingärtner, Nabburg
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    eISBN 978-3-641-09166-8
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    www.heyne.de
    www.randomhouse.de
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