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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu
Autoren: Gercke Stefanie
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öffnete den Mund, um etwas zu sagen, bekam aber nur ein heiseres Schnarren heraus. Ihre Lippen waren rissig, das Gesicht dreckverschmiert, und als sie die Arme heben wollte, gehorchten die ihr nicht, sondern blieben lebtlos an ihren Seiten liegen. Auch ihre Finger waren bewegungsunfähig. Gebogen wie Krallen, verharrten sie in der Griffposition. Hilfe suchend sah sie ihn an.
    Wortlos nahm er ihre Hände und bog ihre Finger behutsam einzeln auf, aber auch jetzt konnte sie sie nicht gezielt bewegen. Auch die Kontrolle über die Arme hatte sie noch nicht wiedererlangt. Dirk stand auf. Da es fraglich war, ob ihr ihre Beine gehorchten, war es zu gefährlich, sie selbst übers Dach gehen zu lassen. Wenn sie stolperte, würde er sie nicht abfangen können, und sie würde hinunter ins Revier der Löwen fallen. Wo noch immer genügend der großen Raubkatzen hungrig umherstrichen. Und sie hatte eindeutig im Augenblick nicht genügend Kraft in den Armen, um auf allen vieren übers Rieddach zu kriechen, wie es wohl am sichersten gewesen wäre.
    Er erklärte es ihr. »Also werde ich dich tragen. Keine Angst, ich lasse dich nicht fallen.« Er lächelte ihr in die Augen. »Nie mehr.« Als sie wortlos nickte, legte er ihr den einen Arm unter die Schultern und den anderen unter die Kniekehlen und richtete sich vorsichtig mit ihr auf. Einen Fuß vor den anderen setzend, bewegte er sich zur gegenüberliegenden Giebelseite.
    Leon hatte sich bereits vom Dach heruntergehangelt und stand bereit, Anita aufzufangen. Dirk ließ sie behutsam in seine Arme gleiten. Leon nahm sie in Empfang und setzte sie mit dem Rücken gegen die Hauswand ab, wo sie erschöpft ihren Kopf auf die verschränkten Arme legte.
    Leon tätschelte ihr das Haar. »Das war ein bisschen viel Afrika auf einmal, was, meine Hübsche? Aber es ist nicht immer so brutal. Manchmal ist es sogar umwerfend schön … so schön, dass man es gar nicht fassen kann.« Er grinste sie aufmunternd an.

    Zu seinem Erstaunen blitzte ein verwegenes Lächeln in ihren Augen auf. »Ach, so schnell lasse ich mich nicht einschüchtern«, flüsterte sie heiser. »Von nichts und niemand, und auch nicht von Afrika.«
    Dirk, der inzwischen auf sicherem Boden gelandet war, konnte es kaum glauben, als er ihre Worte hörte. Überrascht musterte er sie. Ein zitterndes Bündel Angst hatte er erwartet, Heulen und Zähneklappern, den Wunsch, diesen Kontinent so schnell wie möglich zu verlassen, aber nicht diesen Kampfgeist. Um seine Verblüffung zu verbergen, kniete er sich hin und untersuchte ihre Arme und Hände.
    Â»Du hast Muskeln und Sehnen betimmt völlig überlastet«, sagte er. »Aber das wird schon werden.« Behutsam massierte er ihre langen Armmuskeln und dehnte ihre Finger, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Nach und nach nahmen die Finger einen rosa Ton an.
    Die Massage tat Anita ziemlich weh, aber sie zog die Hände nicht weg. Es war ein willkommener Schmerz. Er half ihr, sich in die Wirklichkeit zurückzufinden, sich bewusst zu werden, dass sie tatsächlich überlebt hatte und in Sicherheit war. Und sie mochte die Berührung seiner Hände, stellte sie fest. Probeweise streckte sie die Arme aus. »Geht schon wieder, siehst du? Ich habe sogar schon wieder Gefühl in den Händen.«
    Mit seiner Hilfe stand sie auf. Erst jetzt fielen ihr die Mädchen ein, und die Angst schnürte ihr prompt die Kehle zu. Sie musste sie erst freiräuspern, ehe sie weiterreden konnte. »Und Kira? Die Mädchen?«
    Wie aufs Stichwort klingelte Dirks Handy. Es war Jill, aber er ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. »Ich hab sie wieder«, sagte er mit schwankender Stimme. »Sie ist ziemlich kaputt, aber in einem Stück, und sie möchte dich sprechen.« Er reichte Anita den Hörer. »Es ist Jill«, flüsterte er. »Du kannst sie selbst fragen.«
    Anita nahm das Telefon und meldete sich. Das Lächeln, das
kurz darauf ihr Gesicht überstrahlte, sagte Dirk mehr als Worte. Ihm wurden tatsächlich die Knie weich. Er liebte Kinder, und die Vorstellung, welches Schicksal ihnen geblüht hätte, wenn sie nicht rechtzeitig gefunden worden wären, jagte ihm noch jetzt Schauer über den Rücken.
    Während Anita Jills Bericht lauschte, fragte er Leon leise, wo sein Auto stehe, und erfuhr, dass Nils die Kinder damit nach Inqaba
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