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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu
Autoren: Gercke Stefanie
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»Was redest du da? Was soll er für mich getan haben?«
    Anitas Mund war papiertrocken. Es bereitete ihr ungeheure Mühe, die nächsten Worte hervorzubringen. »Ich soll dir sagen, dass er dich liebt …« Mit einem schaudernden Seitenblick zum Hof setzte sie hinzu: »Geliebt hat … Und dass er es für dich getan hat.«
    Ihre Schwester musterte sie mit einer Mischung aus unverhohlenem Misstrauen und Ungläubigkeit. »Wann soll er das denn gesagt haben? Und wieso?«
    Anita sah auf ihre Füße, wusste nicht, was sie Maurice’ Mutter
darauf antworten sollte. »Bevor er … als er …« Hilflos hob sie die Hände und brach ab.
    Â»Bevor er sich erschossen hat«, ergänzte Dirk ruhig.
    Lia fuhr wie eine wütende Schlange herum. »Maurice? Sich umgebracht? Nie und nimmer. Das glaube ich nicht. Nicht mein Sohn. Niemals! Raus mit der Sprache, was ist hier vorgefallen …?« Der Gewehrlauf schwang herum und zielte auf Anitas Mitte. »Ich warne dich … Ich zähle bis drei, dann knallt’s.«
    Geistesgegenwärtig versetzte Dirk Anita einen kräftigen Stoß, der sie aus der Schusslinie stolpern ließ, während Leon, der den Disput bisher schweigend beobachtet hatte, Cordelia die Waffe entriss. Er entlud sie und steckte die Munition in die Tasche. Dann schulterte er das Gewehr.
    Â»So, das hätten wir«, sagte Dirk. »Und nun zu Maurice, Lia. Ich werde dir genau erzählen, was geschehen ist. Dein Sohn hat sich die Pistole in den Mund geschoben und abgedrückt, worauf er tot umfiel. Anita und ich haben das gesehen. Zuvor hat er gestanden, Aids zu haben, heroinsüchtig zu sein und dass er, um seine Sucht bezahlen zu können, anfänglich dein Geld gestohlen hat, bevor er Len Pienaar kennenlernte und anschließend von ihm erpresst worden ist, das Lager für die entführten Mädchen auf Timbuktu einzurichten.« Er machte eine Pause und musterte die Frau vor ihm. »Und er hat auch gesagt, dass du davon gewusst hast. Damit hast du Anita in Lebensgefahr gebracht, ganz zu schweigen von diesen kleinen Mädchen und Kira Rogge. Dafür will ich eine Erklärung hören, und glaub mir, Nils und Jill werden das auch von dir wissen wollen. Und wenn dieser unbekannte Schwarze nicht gewesen wäre, wäre …« Er unterbrach sich.
    Lia stand ohne jegliche äußere Reaktion da, so als hätte sie nichts von dem gehört, was er gesagt hatte. Ihre Augen waren ins Nichts gerichtet, in ihren Mundwinkeln sammelte sich Speichel.
    Dirk packte sie am Arm und schüttelte sie. »Hast du verstanden, was ich gesagt habe?«

    Keine Reaktion.
    Â»Sie hört dich nicht«, sagte Anita leise. »Lass sie. Es ist zu viel. Ihr Sohn ist tot …«
    Dirks Kiefer mahlten. »Der wäre so und so bald gestorben, das hat er selbst gesagt.«
    Anitas Blick kehrte sich nach innen. Ihre Gedanken flogen zurück zu jenem Julitag vor zwei Jahren. Sie sah Frank breitbeinig auf dem Deck balancieren, das kurze, dunkelblonde Haar verweht, die hellblauen Augen funkelnd vor Vergnügen. Und bevor sie sich dagegen wehren konnte, hörte sie es wieder. Dieses Geräusch, als würde eine Kokosnuss gespalten. Das Letzte, was sie von ihm gehört hatte.
    Dirk beugte sich besorgt zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Was ist?«, raunte er. »Du bist ganz blass geworden. Ist dir nicht gut?«
    Sie spürte seine Hand nicht. Ihre Mutter tauchte kurz vor ihr auf. Es sei an der Zeit, waren ihre Worte gewesen, und sie würde nie erfahren, was sie damit gemeint hatte.
    Nur mühsam kämpfte sie sich zurück in die Gegenwart. »Maurice wäre gestorben, sicher«, sagte sie leise. »Irgendwann, vielleicht schon bald, aber Lia hätte sich verabschieden können … noch Fragen stellen, auf die sie Antworten bekommen hätte …« Sie schwieg und verlor sich wieder in der Vergangenheit. »Jetzt wird es nie mehr Antworten geben, nur Fragen … Das ist furchtbar, weißt du.«
    Â»Das ist mir egal«, unterbrach er sie. »Das ist ihr Problem. Ich will hören, warum sie dich in Lebensgefahr gebracht hat, warum sie nichts getan hat, um dich und die Kinder zu retten.«
    Â»Sie hat alles verloren … Sie ist allein auf der Welt … Ich weiß, wovon ich rede. Alleinsein heißt Dunkelheit und Kälte …«
    Â»Sie ist nicht
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