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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen
Autoren: Clive Barker
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wenn sie es am Ende genehmigt hatte. Aber das war nur gewesen, weil sie das Thema ohnedies als akademisch einstufte, da die Welt fast am Ende war und so gut wie keine Aussicht bestand, 772
    sie zu retten. Aber das Ende war nicht gekommen, und sie war gestorben, weil sie die Welt gerettet hatte. Er fühlte sich bei seiner Ehre verpflichtet zu schweigen. Doch so diskret er war, er mußte zum Grove zurückkehren und herausfinden, wie sein Untergang vonstatten ging.
    Als er eintraf, war die Stadt immer noch unzugängliches Ge-lände und von Polizeiabsperrungen umgeben. Doch diese waren nicht schwer zu umgehen. Seit der Grove abgeriegelt worden war, waren die Bewacher nachlässig geworden, zumal nur wenige Menschen - Schaulustige, Plünderer oder
    Einwohner - närrisch genug gewesen waren, zu den instabilen Straßen zurückkehren zu wollen. Er schlüpfte mühelos durch den Kordon und begann, die Stadt zu erkunden. Der Wind, der gestern noch das Feuer durch Stillbrook getrieben hatte, hatte sich völlig gelegt. Der Rauch des Großfeuers war
    heruntergesunken, sein Geruch war beinahe süß wie Holz, wie der Rauch von feinem Feuerholz. Unter anderen Umständen wäre er vielleicht elegisch gewesen, aber er wußte zuviel über den Grove und seine Tragödie, sich derlei Gefühlsduselei hinzugeben. Es war unmöglich, die Verwüstungen zu
    betrachten, ohne das Ende des Grove zu bedauern. Seine größte Sünde war die Scheinheiligkeit gewesen - daß er sein heiteres, sonniges Leben geführt und absichtlich sein geheimes Selbst verborgen hatte. Dieses Selbst hatte Ängste ausgeschwitzt und eine Zeitlang Träume Wirklichkeit werden lassen, und diese Träume und Ängste, nicht Jaffe und Fletcher, hatten den Untergang des Grove schließlich besiegelt. Die Nunciaten hatten die Stadt zu ihrer Arena erkoren, aber sie hatten in ihrem Krieg nichts erfunden, was der Grove nicht ohnehin schon in seinem Herzen gehegt und genährt hatte.
    Während er sich umsah, fragte er sich, ob es vielleicht nicht eine andere Möglichkeit gab, die Geschichte des Grove zu erzählen, ohne sich über Teslas Gebot hinwegzusetzen. Wenn er Swift vergaß und vielleicht nach einer poetischen, 773
    dichterischen Weise suchte, alles Erlebte in Worte zu kleiden.
    Das war ein Vorgehen, über das er schon einmal nachgedacht hatte, aber er wußte heute wie damals, daß er scheitern würde.
    Er war als Buchstabengetreuer in den Grove gekommen, und nichts, was ihm der Grove gezeigt hatte, würde ihn jemals vom Kult nüchtern wiederzugebender Fakten abbringen.
    Er machte einen Rundgang durch die Stadt und vermied
    lediglich die Gegenden, wo ein Spaziergang auf Selbstmord hinausgelaufen wäre; er machte sich im Geiste Notizen über die Verwüstungen, obwohl er wußte, er würde sie nicht gebrauchen können. Dann schlich er sich wieder unerkannt davon und kehrte nach L. A. zurück, zu weiteren Nächten voller Erinnerungen.

    Bei Jo-Beth und Howie war es anders. Sie hatten ihre dunkle Nacht der Seele in den Fluten der Essenz erlebt, und die anschließenden Nächte im Kosm waren ohne Träume.
    Jedenfalls konnten sie sich an keine erinnern, wenn sie erwachten.
    Howie wollte Jo-Beth davon überzeugen, daß sie am besten nach Chicago zurückkehrten, aber sie bestand darauf, daß derartige Pläne verfrüht waren. Sie wollte die Gegend nicht verlassen, solange der Grove noch zur Gefahrenzone erklärt und die Leichen nicht geborgen worden waren. Sie zweifelte nicht daran, daß Mama tot war. Aber bevor sie aus dem Grove gebracht worden war und ein christliches Begräbnis bekommen hatte, war an ein gemeinsames Leben jenseits dieser Tragödie überhaupt nicht zu denken.
    Derweil mußten sie ihre Verletzungen heilen lassen, und das taten sie hinter den verschlossenen Türen eines Motels in Thousand Oaks, das so nahe am Grove lag, daß Jo-Beth unter den ersten sein konnte, die dorthin zurückkehrten, wenn der Ort wieder als sicher galt. Die Male, die die Essenz ihnen zugefügt hatte, wurden bald zu Erinnerungen, und die beiden 774
    lebten in einem seltsamen Limbo. Alles war beendet, aber nichts Neues konnte anfangen. Und während sie warteten, wuchs eine Distanz zwischen ihnen, die keiner befürwortete oder ermutigte, die aber auch keiner verhindern konnte. Die Liebe, die in Butrick's Steak House angefangen hatte, hatte eine Reihe Katastrophen ausgelöst, für die man sie, wie sie wußten, nicht verantwortlich machen konnte, die sie aber dennoch quälten. Während sie in Thousand Oaks
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