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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen
Autoren: Clive Barker
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zu Jo-Beth, als D'Amour gegangen war. »Gehst du mit mir spazieren?«
    Es war bereits nach Mitternacht, und die Kälte, aus der D'Amour vor fünf Stunden hereingekommen war, war schlimmer geworden, aber sie nahm ihnen die Erschöpfung. Als sich ihre Stimmung verbessert hatte, unterhielten sie sich miteinander.
    »Du hast D'Amour eine Menge erzählt, was ich nicht gewußt habe«, sagte Jo-Beth.
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    »Zum Beispiel?«
    »Was auf der Ephemeris passiert ist.«
    »Du meinst Byrne?«
    »Ja. Ich frage mich, was er da oben gesehen hat.«
    »Er sagte, er würde zurückkehren und mir alles erzählen, wenn wir überleben.«
    »Ich will keine Schilderungen aus zweiter Hand«, sagte sie.
    »Ich will es mit eigenen Augen sehen.«
    »Zur Ephemeris zurückkehren?«
    »Ja. Solange ich mit dir dort hinkann, würde ich es gerne tun.«
    Ihr Weg hatte sie vielleicht unvermeidlich zum See geführt.
    Der Wind war beißend, aber sein Atem frisch.
    »Hast du keine Angst davor, was die Essenz mit uns machen könnte, wenn wir jemals dorthin zurückkehren?« fragte er.
    »Eigentlich nicht. Nicht, wenn wir gemeinsam gehen.«
    Sie ergriff seine Hand. Plötzlich schwitzten beide trotz der Kälte, und ihr Innerstes war in Aufruhr wie beim ersten Mal, als sie sich in Butrick's Steak House in die Augen gesehen hatten. Seither war ein kleines Zeitalter vergangen, das sie beide verändert hatte.
    »Jetzt sind wir beide Desperados«, murmelte Howie.
    »Das sind wir wohl«, sagte Jo-Beth. »Aber das macht nichts.
    Niemand kann uns mehr trennen.«
    »Ich wünschte, das wäre wahr.«
    »Es ist wahr. Das weißt du.«
    Sie hob die Hand, die immer noch seine umschlungen hielt, zwischen sie.
    »Erinnerst du dich?« sagte sie. »Das hat uns die Essenz gezeigt. Sie hat uns vereint.«
    Ihr Beben lief durch die Hand, durch den Schweiß auf den Handflächen, in seine.
    »Daran müssen wir uns halten.«
    »Heiratest du mich?« sagte er.
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    »Zu spät«, antwortete sie. »Das habe ich schon getan.« Sie standen jetzt am Ufer des Sees, aber sie sahen selbstverständlich nicht den Lake Michigan, als sie in die Nacht hinaussahen, sondern die Essenz. Es tat weh, an diesen Ort zu denken. Derselbe Schmerz, den jedes Lebewesen empfindet, wenn ein Flüstern vom Meer der Träume an die Grenze des Bewußtseins dringt. Um so schlimmer war er für diejenigen, die das Sehnen nicht vergessen konnten, sondern wußten, daß die Essenz real war; ein Ort, wo Liebe Kontinente zeugen konnte.
    Die Dämmerung war nicht mehr fern, und wenn die Sonne ihre ersten Strahlen zeigte, würden sie schlafen gehen müssen.
    Doch bis das Licht kam - bis sich die Wirklichkeit über ihre Fantasie hinwegsetzte -, standen sie da, sahen in die Dunkelheit und warteten, halb in Hoffnung und halb in Angst, daß das andere Meer aus den Träumen emporsteigen und sie vom Ufer fortreißen würde.
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