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Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft
Autoren: Sandra Brown
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falls sich Mr. Grayson entschließen sollte, zu tun, was diese Betriebsnudel Ma Langston forderte. Sie hatte Mrs. Langston immer schon unglaublich ordinär gefunden, und die Sache bewies es endgültig.
    »Die einzige Meinung dazu, die zählt, ist die von Mr. Coleman«, sagte Hai Grayson. »Ross, was sagt Ihr dazu? Wollt Ihr, dass diese junge Frau Euren Sohn stillt, was ihm vielleicht das Leben retten könnte?«
    Lydia hatte allen Anwesenden den Rücken zugedreht. Es war ihr egal, was sie von ihr dachten. Sobald es ihr gut genug ging, würde sie irgendwohin gehen, wo sie niemand kannte und wo sie ohne Vergangenheit wieder neu anfangen konnte. Ohne es recht zu bemerken, war sie zur Seite des Wagens hinübergegangen, wo das Neugeborene in einer mit Flanell ausgepolsterten Apfelkiste lag. Sie starrte auf das winzige, um sein Leben kämpfende Geschöpf hinab, als sie hörte, wie sein Vater langsam aufstand.
    Lydia hatte Ross Coleman den Rücken zugewandt, als er den Kopf hob und zu der Person hinüberschaute, die einen solchen Aufstand in seinem Wagen hervorgerufen und seine Trauer über Victorias Tod gestört hatte. Als erstes fiel ihm ihr Haar auf, ein wahres Gewölk von unordentlichen Locken, in dessen wilder Fülle trockene Blätter und wer weiß, was sonst noch alles hing. Was für eine Sorte lief denn schon mit offenem Haar herum? Ross Coleman kannte nur eine Art Frauen, die das tat.
    Von hinten wirkte sie unheimlich mager in ihrem Nachthemd. Ihre Fesseln, die darunter hervorsahen, waren schmal, die Füße klein. Und schmutzig. Himmel. Es stand ihm wirklich nicht der Sinn nach einer rührenden Szene angesichts des kummervollen Tages, den er hinter sich hatte.
    »Ich will nicht, dass diese Frau mein Baby berührt«, murmelte er voller Abscheu. »Bitte lass t mich und meinen Sohn jetzt allein. Wenn er sterben muss , dann soll es in Frieden geschehen.«
    »Dem Himmel sei Dank, dass wenigstens einer hier noch weiß, was sich schickt.«
    »Seid still«, fuhr Ma Leona Watkins an, schob sie zur Seite und ging zu Ross hinüber. »Ihr scheint ein vernünftiger Mann zu sein, Mr. Coleman. Warum wollt Ihr nicht Lydia den Jungen stillen lassen und wenigstens versuchen, sein Leben zu retten? Sonst wird er verhungern.«
    »Wir haben alles menschenmögliche getan«, sagte Ross ungeduldig. Er fuhr sich verdrossen mit den Fingern durch sein dichtes Haar. »Er wollte keine Kuhmilch aus der Flasche trinken. Und das Zuckerwasser, das wir ihm gestern abend mit dem Löffel einflößten, hat er ausgespuckt.«
    »Er braucht Muttermilch. Und diesem jungen Mädchen läuft sie aus den Brüsten.«
    »Oh, Herr im Himmel«, klagte Leona Watkins.
    Ross warf einen zweiten Blick auf Lydia. Sie stand zwischen ihm und dem Licht der Lampe, so dass der Umriss ihres Körpers durch das dünne Nachthemd sichtbar wurde. Ihre Brüste sahen wirklich schwer aus. Deren sinnliche Fülle stieß ihn ab. Warum lief sie hier nur im Nachthemd herum? Selbst wenn es ihr nach der Geburt nicht so gut ging, würde sich keine anständige Frau anderen Leuten und besonders Männern so zeigen. Seine Lippen verzogen sich vor Abscheu, und er überlegte, aus was für einer Spelunke dieses Weib wohl stammen mochte. Victoria wäre bei ihrem Anblick schockiert gewesen.
    »Ich lasse nicht zu, dass ein Freudenmädchen Victorias Baby stillt«, zischte er.
    »Ihr wisst genauso wenig wie ich, aus was für Verhältnissen sie stammt.«
    »Sie ist Abschaum!« rief er. Der Zorn, der ihn seit Victorias ungerecht frühem Tod erfüllte, brach sich nun Bahn. Und die junge Frau war genau der richtige Sündenbock. »Ihr wisst nicht, woher sie kommt und wer sie ist. Aber nur eine Art Frau bekommt ein Baby ohne einen Mann, der sich um sie kümmert.«
    »Das war früher vielleicht so, aber jetzt ist das anders. Besonders, seit das ganze Land hier von Abtrünnigen und Yankees wimmelt, die glauben, dass ihnen jetzt alles und jeder im Süden persönlich gehört. Wir wissen nicht, was sie durchgemacht hat. Vergesst nicht, dass sie erst vor zwei Tagen ihr eigenes Kind verloren hat.«
    Lydia hörte der Auseinandersetzung nicht zu. Ihre Aufmerksamkeit wurde ganz von dem neugeborenen Jungen erfüllt. Seine Haut wies eine ungesunde Farbe auf. Lydia hatte außer ihrem eigenen Kind noch nie ein Neugeborenes gesehen. Und dieses Kind war sogar noch kleiner, und seine zarte Gestalt erschreckte sie. Konnte überhaupt noch etwas dieses bisschen Leben retten?
    Seine kleinen, zu Fäusten geballten Finger waren
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