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Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft
Autoren: Sandra Brown
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beinahe durchsichtig. Seine Augen waren geschlossen, und er atmete flach und stoßweise. Seine Brust hob und senkte sich ruckartig. Sein Wimmern klang rauh, als müsse er oft Ruhepausen einlegen und sparsam mit seinem Rest an Kraft umgehen. Dennoch hörte das jämmerliche Greinen nicht auf. Für Lydia klang es wie der Gesang einer Lorelei. Unausweichlich wurde sie zu dem Kind hingezogen.
    Sie spürte ein Ziehen im Unterleib, was den Wehen ein wenig ähnelte, aber nicht weh tat. Ihr Herz schien sich auszudehnen und ihre geschwollenen Brüste noch weiter zu bedrängen. Sie kribbelten, nicht vom Milchfluss , sondern von ihrem Verlangen nachzugeben und dem Drang, mütterlichen Trost zu spenden.
    Ohne sich dessen bewusst zu werden, sah sie zu, wie ihr Finger die glatte Wange des Babys berührte. Dann schob sich ihre Hand unter seinen Kopf, der ohne weiteres in ihre Handfläche passte . Mit langsamen Bewegungen und ängstlich besorgt, ihm nicht weh zu tun, legte sie ihre andere Hand unter sein Hinterteil und hob ihn aus der Kiste. Während sie weiter unverwandt sein faltiges, gerötetes Gesicht betrachtete, setzte sie sich langsam auf einen niedrigen, dreibeinigen Hocker.
    Die dünnen Beine des Kindes strampelten, und seine Füße traten gegen ihren Bauch. Sie drehte ihn seitwärts, so dass sein Kopf in ihrer Armbeuge lag. Er schwankte auf und ab, und sein Gesichtchen rieb sich an ihrer vollen Brust. Lydia sah fasziniert und voller Ehrfurcht, wie sich der kleine, vogelgleiche Mund zu ihr wandte. Er war geöffnet und suchte.
    Ruhig hob sie ihre Hand zum ersten Knopf am Ausschnitt des Nachthemds und öffnete ihn. Dann den zweiten. Weitere folgten, bis sie den Stoff über ihre Brust schieben konnte. Mit der freien Hand hob sie sie dem Mund des Kindes entgegen. Das Baby stürzte sich sofort darauf u nd begann, gierig daran zu sau gen .
    Das plötzliche Verstummen des Geschreis brachte die hitzige Unterhaltung auf der anderen Seite des Wagens sofort zum Schweigen. Ross hatte das Gefühl, als zerrisse sein Herz. Sein erster Gedanke war, dass alles ein Ende hatte. Er drehte sich eilig herum und erwartete, das Kind bewegungslos und tot daliegen zu sehen; doch der Anblick, auf den sein besorgter Blick traf, erschreckte ihn fast noch mehr.
    Das Mädchen hielt seinen Sohn auf dem Schloss . Das Baby saugte eifrig an ihrer fülligen Brust. Milchige Bläschen umgaben seinen winzigen Mund und den dunklen Warzenhof ringsherum. Sie säuselte dem Kleinen leise etwas vor und schob ihm ihre Brust tiefer in den Mund. Ross konnte ihr Gesicht nicht sehen, weil ihr wildes Haar darüberfiel.
    »Tja«, knurrte Ma zufrieden, »ich schätze, mehr braucht hier wohl nicht gesagt zu werden. Mr. Grayson, warum bringt Ihr nicht Leona zu ihrem Wagen zurück? Ich kümmere mich um diese Angelegenheit und sorge dafür, dass Lydia richtig untergebracht wird.«
    »Untergebracht wird!« kreischte Leona. »Sie wird doch nicht etwa in Mr. Colemans Wagen bleiben? Das ist unanständig.«
    »Kommt, Mrs. Watkins«, sagte Hai Grayson. Er wollte möglichst bald in sein Bett zurück. Zur Zeit wurde es immer früh hell, und Mrs. Colemans Tod hatte die Aufbruchsstimmung dieser Fahrt nach Texas empfindlich getroffen. Eigentlich lag ihm nichts an einer Anführerrolle, aber er war gewählt worden und würde sich jetzt vor einer Verantwortung nicht drücken. »Wir regeln alles Weitere morgen früh. Ich bin sicher, dass inzwischen kein An lass zu Befürchtungen besteht.« Er zog die widerstrebende Frau energisch aus dem Wagen.
    Als sie fort waren, sah Ma Ross Coleman an, dessen Blick mit einem Ausdruck von Härte unverwandt auf das junge Mädchen gerichtet war. Ma hielt den Atem an und fragte sich, was er wohl tun würde. Bis dahin hatte sie ihn für sympathisch, ja sehr freundlich gehalten, und mit seiner Frau war er immer wie mit der Königin von Saba umgegangen.
    Nur in seinen Augen lag stets ein Ausdruck von Unruhe, der Ma argwöhnen ließ, dass dieser Mann nicht nur das war, was er an der Oberfläche zu sein schien. Er bewegte sich ein wenig zu schnell, seine Augen schauten ein wenig zu scharf und hastig, als gehörten sie zu einem Mann, den das Leben äußerst misstrauisch gemacht hatte. Im Augenblick sah er aus wie einer, der einen inneren Kampf kämpfte, denn jeder seiner ausgeprägt starken Muskeln schien sich unter seiner Haut zu spannen.
    Ross zwang seine Füße, durch den Wagen auf die andere Seite zu gehen. Sein Sohn trank hungrig. Er weinte nicht mehr. Diese
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