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Jennerwein

Jennerwein

Titel: Jennerwein
Autoren: Manfred Böckl
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Namen des Schlierseer Jägers zerknirschte der Girgl zwischen den Zähnen; dann, geifriger noch, den des Pföderl. Denen würde er es zeigen jetzt, den Obrigkeitsbütteln, den Neidhammeln, den Menschenschindern. Die hatten ihm nicht umsonst das Mal aufgebrannt! Die sollten büßen jetzt, dort, wo es sie am meisten traf! An die Waidmannsehre, das schwor sich Georg Jennerwein in dieser Stunde, würde er ihnen gehen. Zeigen wollte er ihnen, wer der wahre Herr in den Wäldern, auf den Kofeln, in den Klüften war. Blamieren wollte er sie; kuschen und katzbuckeln sollten sie müssen vor ihren Vorgesetzten ob ihres hegerischen Versagens. Er, der Schiefzähnige, würde ihnen das Wild wegknallen, direkt vor den Schnauzen. Und sollte sich darüber hinaus die Gelegenheit zu einem Tort ergeben, er würde gewiß nicht zögern. Denn – verschwommen flirrte ihm ein Bibelwort durchs Gehirn – Feindschaft war von jetzt an gesetzt zwischen ihn und sie!
    Im Schutz der Steinschrunde wartete der Grauäugige ab, bis das Vogelgezwitscher in der ersten Ahnung der Abenddämmerung matter wurde. Dann huschte er weg, ungefähr eine Viertelmeile auf den Brunstkogel zu. Einen Einstand wußte er dort, von früher her, und gerade als das Büchsenlicht verschlieren wollte, trat der Bock ins Freie. Die Kugel warf ihn auf die Decke, der Girgl brach ihn auf und schleuderte das Darmgeschlinge, den Lodenen zum Hohn, über eine Astgabel. Tief in der Nacht kam er in Westenhofen an. Dort trommelte er den Lorenz und den Wastl heraus, schenkte ihnen das Fleisch und soff sodann mit den Gütlern, den Holzknechten bis zum Morgengrauen. Im Schuppen des Lorenz schlief er seinen Rausch aus, den Stutzen nahe bei sich unter der haarigen Decke, und am Abend zog er, als sei gar nichts gewesen, erneut in seine Kate ein; der Unterschwaiger hatte ihn wieder in den Dienst genommen, ohne viel zu fragen. Zwischen dem Westerberg und dem Brunstkogel aber stand ungefähr zur gleichen Zeit auf einer Lichtung der Sieberer und starrte in ungläubiger Wut auf das fliegenumschillerte Aas, das wie ein blasphemisches Fanal vom gegabelten Ast hing.
     
    *
     
    Nur eine Woche später setzte Georg Jennerwein auch dem Pföderl ein blutiges Zeichen. Weil der Girgl herausgebracht hatte, daß der andere jetzt die Sennerin von der Baumgartenalm besuchte, pirschte er dort hinüber und lauerte auf dem Bergkamm, bis sich unten der Tegernseer zeigte. Nachdem der mit der Geierfeder in der Hütte verschwunden war, holte der Wilderer den verwesten Rehschädel, den ihm die Westenhofener grinsend wieder überlassen hatten, aus dem Rucksack. Die Würmer krochen schon unter dem Fell, der Gestank, der aus den Augenhöhlen und unter dem schwarz gewordenen Blutschorf hervordrang, war entsetzlich, doch in der abartigen Vorfreude genoß der Schiefzähnige gerade das. Er trug das Bockshaupt hinunter zur Alm, wartete seitlich neben dem Fenster wiederum lange ab im Nachtschatten, und als dann drinnen das Stöhnen und Keuchen zu seinem Höhepunkt kam, spreißelte er den Schädel an der Tür fest und zog sich, innerlich keckernd, an den Waldrand zurück. Die Nacht wurde ihm nicht lang dort, und im Morgengrauen, als der Pföderl zum pflichtgemäßen Streifgang aus der Hütte trat, als er gleich darauf den wütenden Schrei tat, biß sich der Jennerwein vor unterdrückter Lust auf die Knöchel. Fast mehr noch freute ihn das grelle Angstgurgeln aus der Frauenkehle, welches nur ein paar Lidschläge später einsetzte, und während er dann die drei Meilen zurück nach Westenhofen rannte, malte er sich immer wieder die Folgen des Schlags aus, den er dem Lodenen und seiner Pritsche mitten ins Brünstige hinein versetzt hatte.
    In der Tat ließ die Agatha den Hans dann länger als eine Woche nicht mehr an sich heran, sperrte sich und wurde hysterisch, sobald er ihr ans Mieder wollte; starrte mit schreckgeweiteten Augen zur Tür und begann erneut mit dem Winseln und Gurgeln, obwohl der wurmige Schädel doch schon längst weit draußen im Wald vergraben war. Und der Pföderl wünschte sich dann verzweifelt, daß er den Jennerwein erwürgen dürfte. Daß der mit der Spielhahnfeder der Sauhund gewesen war, lag auf der Hand; gleich nach dem Anschlag hatte der Tegernseer von der Rückkehr des Schlierseers erfahren und hatte sich ganz richtig gesagt, daß kein anderer als der Schiefzähnige zu einer solch mistigen Tat fähig sein konnte. Doch mit der Agerl vermochte der Jäger darüber nicht zu sprechen; er brachte es einfach
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