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Jennerwein

Jennerwein

Titel: Jennerwein
Autoren: Manfred Böckl
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mit der Agatha, und im Winter mußte er es hinnehmen, daß ihm auf der Baumgartenschneid wiederum drei Böcke in einer einzigen Nacht weggeschossen wurden, und er verschlief den Frevel und handelte sich einen mächtigen Anschiß ein, bloß weil ihm einer im Wirtshaus das Laudanum {82} ins Bier gegossen hatte.
    So also lief es zwischen dem Jäger und dem Wilderer, und als das 76er Jahr sich zuletzt ins 77er hineindrehte und in einen neuen Frühling kam, setzte Georg Jennerwein im Krieg gegen Johann Pföderl noch eins drauf und machte sich an die Agatha heran, auf die er schon länger ein Auge geworfen hatte.
     
    *
     
    »Nein!« fauchte sie ihn aus dem Erschrecken heraus an. Ungesehen herangeschlichen über den Almboden hatte sich der Girgl an diesem Sonntagmorgen, hatte sie hinterrücks am Brunnentrog überrumpelt, und jetzt spürte sie, wider Willen, wie ihre Brüste sich unter seinem frechen Griff dehnten. »Nein!« wiederholte sie. »Geh weg, du Saubär! Dem Hans gehör’ ich, daß du’s bloß weißt! Und wenn du deine Pratzen nicht gleich…«
    »Was dann?« fragte grinsend der Wildschütz, preßte ihr unverschämt noch einmal die Warzen, ließ sie einen Lidschlag später jäh wieder los. »Erzählst du’s ihm dann? Dem Jäger? Daß der Jennerwein in seinem Revier auf der Pirsch war?« Unter der wippenden Spielhahnfeder hervor kam herausfordernd sein Lachen. »Was hättest du denn davon? Daß er dir eine schiefe Lätschn {83} hermachen würde und noch mehr Grund zum Saufen hätt’ als eh schon! Das käm’ heraus dabei, Agerl! Würdest dich bloß ins eigene Fleisch schneiden! Aber andererseits, wenn du mich einmal in die Hütte ließest und ihm gegenüber den Schnabel halten tätest, dann könnten wir zwei einen Haufen Spaß haben. Du weißt ja, was man über mich und die Weiber sagt, gell? Daß noch eine jede mit mir zufrieden gewesen ist…«
    »Jawohl, und deswegen laufen auch die Bankertkinder von dir gleich dutzendweis’ im Gebirge herum!« schnappte die Schwarzhaarige.
    »Sind bloß zwei oder drei«, versetzte der Girgl leichthin. {84} »Und beschwert hat sich noch keine bei mir, daß ich ihr einen Bamsen gemacht hab’. Außerdem, Dirndl, das weißt du doch, schnappt es nicht immer! Hättest doch du sonst schon längst einen dicken Bauch vom Jäger haben müssen. Oder hat der Pföderl etwa eine vernagelte Büchs’n im Gewehrschrank stehen?«
    »Lumpenhund!« heulte die Agatha auf, und die Maulschelle, die Georg Jennerwein gleichzeitig einstecken mußte, war auch nicht von Pappe. Doch das Grinsen wischte sie ihm nicht weg aus dem kantigen, dem verwegenen Antlitz. Vielmehr wurde es noch eine Spur breiter, noch herausfordernder, als der Girgl sich jetzt langsam, als sei gar nichts geschehen, zum Weitergehen anschickte. Mit geballten Fäusten stand die Schwarzhaarige da, irgendwie blieb das Grinsen zwischen ihr und ihm hängen, ebenso das Ziehen in der Brust, das sündige. Und dann, zwölf, fünfzehn Schritte entfernt schon, drehte sich der Grauäugige noch einmal um und rief ihr zu: »Überleg dir’s halt einmal, ob du den Jennerwein nicht doch magst! Ob ein Spielhahn nicht besser für dich ist als ein Geier…« Und da rannte die Agatha davon, in die Hütte hinein, als sei der Teufel hinter ihr her.
    Von da an hatte sie das Glühen in den Brüsten, im Schoß und im Herzen; und das Grinsen ging ihr nicht mehr aus dem Kopf, der schiefe Schneidezahn nicht, der bissige, auch nicht mehr die Augen, die hechtgrauen. Etwas Heimliches, das vielleicht schon lange in ihr geschlummert hatte, hatte der Jennerwein aufgebrochen und aus der krustigen Schale gekitzelt; ein Sehnen, das ihr so tief im Blut saß, daß der Pföderl es nie hatte erwittern können. Und jetzt begann sie unter dieser nadelnden und letztlich doch wieder nicht faßbaren Brunst, diesem unnennbar Urweiblichen und Archaischen zu leiden, selbst dann, wenn der andere bei ihr war; in der Hütte, zwischen den Schenkeln. Eine Leere war auf einmal in ihr, die sich nicht greifen ließ; die höchstens der eine, der Wilderer, hätte packen können. Am folgenden Sonntag dann verweigerte sich die Agatha dem Pföderl, schützte ihre Tage vor und trieb ihn auf diese Weise weg von sich, hinunter ins Tal. Und während der Dunkle, der jetzt wieder Zusammengebuckelte dort soff, sich einen Rausch leistete, fast bis zur Bewußtlosigkeit, tauchte drüben auf der Baumgartenschneid der Jennerwein auf; kam herüber zur Alm, kam heran wie ein Sieger.
    »Ja!« stöhnte
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