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Jennerwein

Jennerwein

Titel: Jennerwein
Autoren: Manfred Böckl
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nicht über sich, auch wenn andererseits alles in ihm danach schrie. Er fürchtete ganz einfach um seine männlichen Fähigkeiten, falls ihm in ihrer Gegenwart der Name des anderen über die Lippen käme; ohnehin ging er der Agatha in dieser Zeit eher an die Wäsche, um sich selbst etwas zu beweisen, und nicht, weil er sich wirklich bärig fühlte.
    Dem Pföderl ins Gekröse war also der Schlag gedrungen, den der Jennerwein gegen ihn geführt hatte; beidseitig aufgebrochen war der alte Haß damit wieder, zurückgeschnalzt war die Zeit exakt zu jenem Augenblick, da zwischen ihnen die scharfen Schüsse getauscht worden waren. Auch für Johann Pföderl hatte sich auf diese Weise ein Bogen geschlossen, und in der Folge dann, bis vorerst ins frühe 77er Jahr herauf, sollte dieser Haß greller und greller aufblühen, und die Schlaglichter, die in seinem Gefolge zwischen dem Obrigkeitshörigen und dem Renegaten gesetzt wurden, waren – je mehr sich anderswo das Deutsche Reich verfestigte – gräßlich und gleißend.
     
    *
     
    1874 etwa, zur gleichen Zeit, da in Preußen ein weiteres Attentat auf Bismarck mißlang: Auf einem Gmunder Tanzboden drehte sich Johann Pföderl mit der Agatha im Kreis. Hatte die Büchse mitgebracht, um gleich nach der Rückkehr ins eigene Revier die Grenzen dort abzupirschen. In der Schankstube stand das Gewehr jetzt, während der Dunkle in der Körpernähe der Agerl endlich doch wieder Standfestigkeit verspürte. Während er sich also in der Vorfreude wetzte und rieb am wippenden Rock, plötzlich Tumult drinnen im Wirtshaus.
    Johann Pföderl achtete nicht weiter darauf, doch durchs Fenster der Wirtschaft lurte Georg Jennerwein jetzt auf ihn. Ihre Hetz {81} hatten etliche Holzknechte, als der Girgl nun die Jägerbüchse an sich brachte. Auf die Schenkel schlugen sie sich, als dieser dem ahnungslosen Wittelsbachischen die Zündlöcher vernagelte. Einen doppelten Enzian kippte der mit der Spielhahnfeder, riß dann das Fenster auf, sprang über die Geranien hinweg ins Freie, setzte im Wolfssprung auf dem Tanzboden auf. Bleckte den Pföderl an, frecher noch die Sennerin, spottete dem Jäger ins jäh verzerrte Gesicht: »Glaubst wirklich, daß du heut noch zum Schuß kommen wirst? Weißt, was ich dir sag: Höchstens in die Hosen geht’s dir!«
    Ehe der Pföderl sich ganz von seiner Tänzerin lösen und zuschlagen konnte, war der Girgl schon wieder weg. Lief schnurstracks in Richtung auf die Baumgartenschneid davon und ließ im Zurückblecken die Spielhahnfeder noch lange wippen. Schon bald hielt es den Pföderl auch nicht mehr in Gmund, obwohl die Agatha deswegen arg maunzte. Seinem Haß und einem Verdacht rannte er hinterher, die Büchse wieder über der Schulter, und in der Tat sah er dann, der Abend dämmerte schon, auf halber Höhe der Schneid das Aufblitzen. Zwei, drei Atemzüge später polterte auch das Schußgeräusch heran; gotteslästerlich zu fluchen begann der Jäger und hetzte um so schneller weiter. Daß der Hundsteufel ihn aber seelenruhig auf der Schneid erwartete, hätte er trotzdem nie gedacht. Doch der Jennerwein stand da und zeigte ihm den Stutzen – und legte im nächsten Augenblick auch noch frech auf ihn an.
    »Jetzt! Endlich!« brüllte Johann Pföderl. »Jetzt hast du’s zu weit getrieben!« Die Büchse riß er hoch, scharf nahm er den anderen ins Visier, zog durch – und hörte nichts als das Zündhütchensprotzeln. Einen Lidschlag später versagte ihm auch der zweite Lauf, aber dann pfiff gegen ihn selbst die Kugel heran. Riß ihm den Hut vom Schädel, ließ ihn aufheulen und wegtaumeln, ließ ihm die Todesangst in den Eingeweiden hochquellen. Und dann war die Spielhahnfeder über ihm, überrumpelt hatte ihn der Jennerwein in seiner Angstlähmung, und nun spürte der Jäger die Doppelmündung des Stutzens unterm Kinn. Wehrlos war er, hilflos, anhören mußte er sich, was der Jennerwein gegen ihn zischelte: »Hab’ nicht auf einen Bock gewartet heut, sondern auf dich! Daß ich dich wieder einmal vor mir im Dreck kniegeln seh’! Jetzt, wenn ich wollt’, könnt’ ich dich abtun! Gäb’ keine Zeugen dabei, gell, Pföderl?! Könnt’ mich ungeschoren wieder davonmachen, über die Grenz’! Aber für einen wie dich, da ist mir die Kugel zu schad’! Soll mir genügen, daß ich dein Winseln gehört hab’! Und daß du über alles das Maul halten mußt! Weil du dich nicht mehr halten kannst im Gäu, wenn’s die anderen Jäger erfahren, daß du dem Jennerwein mit einer
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