Jeden Tag ein Happy End
und drückte mir einen Kuss auf den Kopf. »Bernie hatte dich auch sehr lieb.«
Zum Glück zerstreuten sich die Gäste bald darauf. Meine Eltern, die sich mittlerweile wieder zu benehmen wussten, begleiteten meine Großmutter zu ihrem Auto, wo es sich dank der Klimaanlage angenehmer trösten ließ. Ich stand neben Gary. Leslie saß bereits in ihrem Mietwagen, der ebenfalls über eine Klimaanlage verfügte.
»Krass«, sagte Gary. »Ich wusste gar nicht, dass dir Bernie so viel bedeutet hat.«
Ich erzählte ihm von Laurels Vorwurf. »Als ich an dem Grab stand, wurde mir klar, dass es noch etwas Schlimmeres gibt als so zu werden wie Mom und Dad. Nämlich Einsamkeit.« Es schien so logisch, und trotzdem hatte ich mir genau das ausgesucht. Allein zu sein. Und was noch schlimmer war: Ich hatte mir nicht einmal selbst eingestanden, dass ich diese Entscheidung selbst getroffen hatte.
»Ich weiß«, sagte Gary und legte mir die Hand auf die Schulter. »Mir geht’s genauso.«
»Im Ernst?« Ich war also doch nicht allein. Ich hatte Gary. Ich würde Gary immer haben. Ich war schon wieder den Tränen nah.
»Deshalb habe ich Leslie gestern Abend einen Antrag gemacht.«
Ich wusste jetzt, wie mein Vater sich immer fühlte, wenn er meinte, von einem Familienmitglied hereingelegt worden zu sein.
»Wir wollten nur bis nach der Beerdigung warten, um es allen zu erzählen.« Gary umarmte mich. »Gratulier mir. Ich heirate.«
Carpe diem
I ch weiß, ich soll dich eigentlich nicht anrufen.« Ich stand im Gäste-WC meiner Eltern, das von oben bis unten in einem Lavendelton gestrichen war. Ich atmete schwer. Hoffentlich hielt sie das hier jetzt nicht für einen obszönen Anruf. Ich wollte Melinda so viel sagen. Dafür war im Moment leider überhaupt nicht die Zeit, und dies war auch nicht der richtige Ort – denn an der Tür rüttelte einer der Gäste mit nervöser Blase.
Man hatte mir die Aufgabe übertragen, die ankommenden Trauergäste zu empfangen und das mitgebrachte Essen entgegenzunehmen. Ich hatte mich heimlich weggeschlichen. Jetzt hörte ich meine Mutter nach mir rufen. Jeden Moment würde sie vor der Tür stehen und mich vor die Wahl stellen, entweder sofort herauszukommen oder zuzugeben, zu viel Räucherlachs gegessen und deshalb Bauchschmerzen zu haben.
Ich hatte tatsächlich Schmerzen, die hatten jedoch nichts mit dem Fisch zu tun.
Seit der Beerdigung spielte ich mit dem Gedanken, Melinda anzurufen. Quatsch. Ich hatte schon die ganze Zeit darüber nachgedacht, seitdem sie mich im Krankenhaus stehen gelassen hatte. Seit der Beerdigung dachte ich an nichts anderes mehr.
Ich hatte Angst vor ihrer Reaktion. Ich wollte ihr nichtnoch mehr wehtun. Und ich wollte auch nicht noch einmal von ihr abgewiesen werden. Aber falls Laurel recht hatte, waren das alles nur Ausreden.
Das Handy fühlte sich schwer an in meiner Hand, während ich sorgfältig meine Worte abwog. Ich wollte mich entschuldigen. Ihr sagen, dass ich ihr nie hatte wehtun wollen. Aber vor allem wollte ich ihr sagen, dass ich unglaublich in sie verliebt war, und herausfinden, ob sie meine Gefühle vielleicht doch erwiderte. Natürlich wollte ich ihr das alles nicht auf die Mailbox sprechen, deshalb bat ich sie lediglich, mich zurückzurufen.
Dann versuchte ich mich daran zu erinnern, warum ich geglaubt hatte, nach einem Anruf bei ihr würde es mir besser gehen.
»Wieso sind Sie eigentlich immer noch Single?«, fragte mich Matt Lauer. Einfühlsam wie eine Abrissbirne, der Mann.
Das war kein Interview mehr, das war ein Verhör. Ich hatte ein paar amüsante Anekdoten über Hochzeitskatastrophen zum Besten geben wollen. Stattdessen saß ich hier und rechtfertigte mich vor laufender Kamera dafür, immer noch Junggeselle zu sein.
»Macht es Ihnen gar nichts aus, Woche für Woche auf Hochzeiten zu gehen, aber selbst niemanden an Ihrer Seite zu haben?«
Die letzten paar Tage hatte ich mir heimlich ausgemalt, wie es wäre, wenn mir ein Job als Co-Moderator der ›Today Show‹ angeboten werden würde. Ich hatte mir vorgestellt, wie Matt und ich sofort auf einer Wellenlänge wären, eben jüdische Journalisten unter sich (ja, er ist nur ein halber Jude, aber trotzdem). Ich stellte mir vor, wie er mir (und ganz Amerika) erklären würde, ich wäre im falschen Berufgelandet, und mich bitten würde, doch im ›Today‹-Team einzusteigen. Danach würde er mich dann vielleicht auch gleich noch zur Oscar-Party der ›Vanity Fair‹ einladen, wo wir schon mal dabei
Weitere Kostenlose Bücher