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Jeden Tag ein Happy End

Jeden Tag ein Happy End

Titel: Jeden Tag ein Happy End
Autoren: Devan Sipher
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mir noch einen Bagel vom Tisch für unterwegs. Was sie mir zu sagen hatten, war mir total egal.
    Liam lächelte. »Ich habe einen Job für dich.«
    Vielleicht nicht völlig total egal.

Hochzeitsglocken
    N ein, nein, nein, nein, nein!«, jammerte die zukünftige Braut verzweifelt.
    Ich arbeitete wieder als Hochzeitsreporter, diesmal hatte ich jedoch einen Komplizen – Liam, mit seiner Kamera über der Schulter und dem Presseausweis von der ›Today Show‹ um den Hals. Wir standen im hinteren Teil der Abyssinian Baptist Church, einem neugotischen Wahrzeichen von Harlem. Der Gospelchor hatte sich in dem wie ein Amphitheater gebauten Altarraum aufgestellt und übte gerade seine klangvollen, fröhlichen Lieder, und dazu – oder besser gesagt: darüber hinweg – schrie Wanda Robinson, eine sehr energiegeladene Frau Mitte fünfzig mit einer Haut wie Milchkaffee und langen roten Fingernägeln, die ein Wunder der modernen Kosmetikindustrie darstellten.
    »Die Roben, die der Chor da trägt, soll das etwa pink sein?«, wandte sie sich gerade an ihren Hochzeitsplaner, dessen Gesicht man ansehen konnte, dass er eine sehr kurze Nacht hinter sich hatte.
    »Honey, die sind so pink, in den Südstaaten wären die verboten.«
    »Ich will aber richtiges Pink«, insistierte Wanda. Ihre großzügige Oberweite wogte in dem engen grünen Hosenanzug. »Ich will kein Neonpink. Nächsten Samstagkommen hier hundertfünfzig Gäste, und die wollen keine Victoria’s-Secret-Show sehen.«
    »Wäre doch vielleicht gar keine so schlechte Idee«, sagte eine amüsierte Stimme hinter uns. In der letzten Reihe saß ein Mann mit kurzen grauen Haaren.
    Wanda drehte sich zu uns um. »Den Typen da können Sie übrigens gern rausschicken.«
    Der »Typ« stand auf und streckte uns die Hand entgegen. Er war ebenfalls Mitte fünfzig, gebaut wie ein Football-Profi, hatte dunkle Haut und einen sehr sanften Händedruck. »Duane Mackenzie. Die meisten nennen mich Big Mac.«
    »Das stimmt überhaupt nicht«, kam sofort der schrille Einwand.
    »Alle außer Wanda«, korrigierte er sich.
    »Er ist ja wohl kein Cheeseburger«, sagte sie und schüttelte energisch den Kopf, »er ist ein erwachsener Mann. Und ab und zu benimmt er sich sogar wie einer.«
    »Wenn du eins dieser rosa Teile anhättest, würde es mir übrigens ganz schön schwerfallen, mich zu benehmen.«
    Liam lachte in sich hinein.
    Es gab im Moment nur eine Hochzeit, die mich wirklich interessierte, und die fand in weniger als vierundzwanzig Stunden in einer Synagoge etwa vier Meilen von hier statt. Melinda hatte sich immer noch nicht bei mir gemeldet, ich rief sie trotzdem weiter an. Ihrer Stimme auf dem Anrufbeantworter zuzuhören war die einzige Kontaktaufnahme, die mir möglich war. Ich wusste, dass ich endlich aufgeben sollte, und sagte mir das auch jedes Mal erneut, wenn ich meine Mobilbox abrief.
    »Heute Abend noch eine Verabredung, hm?«, fragte Liam, als er mich dabei erwischte, wie ich zum x-ten Mal auf mein Handy sah.
    Verdammt. Diese Hochzeit hier war sozusagen mein Vorsprechen. Liam hatte mein »unverstelltes« Auftreten beim Interview für die ›Today Show‹ gefallen und dem Executive Producer die Idee gepitcht, eine Videoversion meiner Hochzeitskolumne zu starten. Wenn ich diesen Probelauf gut überstand, würde ich für das Dreifache meines früheren Gehalts fest angestellt werden. Wenn ich das hier jedoch versaute, war ich wieder arbeitslos.
    »Nein, nein«, versicherte ich ihm, »keine Sorge, ich werde mich ganz auf den Job hier konzentrieren.« Wir, oder besser gesagt, Liam richtete gerade die Kamera und das restliche Equipment auf dem obersten Rang des Amphitheaters ein. Ich spielte mit meinem Handy herum und tat so, als wüsste ich genau, was ich zu tun hatte.
    »Sie sind also hier der Hochzeitsexperte, ja?«, fragte mich Duane, während Liam die Kamera auf dem Stativ befestigte.
    »Würde ich persönlich vielleicht anders formulieren.«
    »Find ich cool, Mann«, antwortete er und klang wie ein Jazzmusiker, der er ja auch war.
    Na toll. Da hatte ich endlich mal ein Interview mit einem echten Musiker, und dann durfte ich ihn lediglich fragen, warum es dreißig Jahre gedauert hatte, bis er endlich seine Freundin aus Collegezeiten heiratete.
    »Hm, darauf habe ich eigentlich gar keine Antwort«, erwiderte er. Nicht unbedingt, was ich hören wollte.
    Liam verzog das Gesicht hinter der Kamera. Ich versuchte, ein wenig mehr aus Duane herauszubekommen. »Wie war Wanda denn so, damals in
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